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Weinheims Partnerstadt: Soldatin Rebecca Baruch ist eines der vielen Kriegsopfer

Weinheimer Nachrichten, 27.01.2024

Junge Männer und Frauen aus Ramat Gan fallen nach wie vor im Krieg. Währenddessen sind rund 1000 Menschen aus den Kampfgebieten in die
Partnerstadt geflüchtet. Diese wiederum ist weiter Ziel von Raketenangriffen. Und die Fälle, in denen es Sprengkörper durch die Schutzschilde schaffen, summieren sich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Foto: Facebook / MayorShama


Rebecca Baruch aus Ramat Gan zog aus den Niederlanden nach Israel. Sie erlitt während ihres Kriegsdienstes eine tödlich verlaufene Entzündung des Gehirns. 

 

„Ich habe keinen Zweifel, dass der Krieg kein Ende findet“, schreibt Smadar Caspi. Zumindest nicht, solange Israel seine Ziele nicht erreicht habe und die Geiseln befreit seien. „Ich bin sicher, dass wir gewinnen. Aber was wird das Schicksal des Staates Israel sein?“, fragt die Lehrerin, die im Rahmen des Schüleraustausches erst im Sommer zu Gast in Weinheim war.


Zweiwöchiger Todeskampf
Die meisten Männer in ihrer Familie befänden sich derzeit im Einsatz im Süden und Norden von Israel. Über 6000 Einwohner der Partnerstadt sind bislang eingezogen worden, ist aus dem Rathaus in Ramat Gan zu erfahren. Insgesamt seien 26 Einwohner gefallen. Die jüngste Meldung ist wenige Tage alt und betrifft Rebecca Baruch, eine gebürtige Niederländerin, die gerade einmal 24 Jahre alt war. Sie starb nach einem zweiwöchigen Todeskampf und trotz mehrerer Operationen, schreibt Bürgermeister Carmel Shama-Hacohen auf Facebook. Medienberichten zufolge hatte die Einwohnerin Ramat Gans im Einsatz eine Gehirnentzündung erlitten. Laut der niederländischen Tageszeitung „AD“ meldete sich Baruch unmittelbar nach Kriegsausbruch freiwillig zum Dienst. Sie war keine Unbekannte: 2018 wurde sie im Rahmen der Dokumentation „Lone Soldier“ von einem Kamerateam begleitet.


Wie der ganze Nahe Osten kommt auch Ramat Gan, Weinheims Partnerstadt in Israel, nicht zur Ruhe. Die Kommune nahe Tel Aviv ist weiter Ziel von
Raketenangriffen. Die Zahl der Kriegsopfer, meist junge Männer und Frauen, steigt. Dasselbe gilt für die der Geflüchteten, die in Ramat Gan Schutz suchen. Und doch gibt es auch immer wieder überwältigende Zeichen der Solidarität. Einige davon finden von Weinheim über 4100 Kilometer hinweg ihren Weg mitten ins Herz der israelischen Gemeinde.


Seit dem terroristischen Überfall am 7. Oktober sind etwa 700 israelische Zivilisten sowie 556 Soldaten getötet worden. Weitaus höher ist die Zahl der palästinensischen Opfer: Nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde liegt diese bei 25 000, darunter viele Zivilisten. Gerade in den Grenzgebieten mussten viele israelische und arabische Bürger ihr Zuhause zurücklassen und flüchten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Facebook/MayorShama


Unter den Geflüchteten aus den Orten rund um Gaza befinden sich viele Kinder – jüdische wie arabische. Das Bild zeigt Ramat Gans Oberbürgermeister mit einem Mädchen, das seine Heimat verlor. Laut dem Rathaus in Ramat Gan sind etwa 1000 Geflüchtete in der Stadt untergekommen. Sie stammen vorwiegend aus dem Süden, wo die Gräuel des Schwarzen Sabbat stattgefunden haben. Unter den Opfern waren ebenfalls Einwohner von Ramat Gan, wie die 26-jährige Oriya Ricardo, die das Supernova- Festival in Re’im besucht hatte (wir haben berichtet), bei dem die Hamas den größten Massenmord an Juden seit dem Zweiten Weltkrieg verübte.


Raketen schlagen in Häuser ein
Die Unterbringung der hohen Anzahl heimatloser Menschen stellt Ramat Gan vor eine große Herausforderung. Dennoch, so das Rathaus, werde jeder Geflüchtete mit offenen Armen empfangen. Erst kürzlich seien 55 Familien aus dem Kibbuz Sufa in zwei frisch gebauten Wohnhäusern untergekommen. Die 55 Besitzer der jeweiligen Appartements hätten auf Bitte des Rathauses eingewilligt, dass die Menschen dort für mindestens ein halbes Jahr leben können.

Foto: Facebook/MayorShama

Auch in Ramat Gan selbst haben einige Menschen ihr Zuhause verloren. Ebenfalls besorgniserregend ist der Grund dafür. Nachdem es bereits Ende Oktober eine Rakete der Hamas durch den Schutzschirm „Iron Dome“ geschafft hatte und ein Haus zerstörte (wir haben berichtet), gab es mittlerweile weitere direkte Treffer auf Wohnhäuser. Der Fahrradladen eines arabischen Einwohners ist indes einem Hassverbrechen zum Opfer gefallen. „Es wurde nur angezündet, weil sein arabischer Besitzer Kindern Fahrräder nach dem 7. Oktober gespendet hatte“, so Ramat Gans Bürgermeister Shama-Hacohen. Zum Hintergrund: In der israelischen Partnerstadt werden Fahrräder an geflüchtete Kinder verschenkt. Dabei helfen auch Unterstützer aus Weinheim. Albrecht Lohrbächer, „Vater“ des Jugendaustauschs mit Ramat Gan, sammelt zusammen mit dem Freundeskreis bereits seit einer Weile fleißig Spenden
für die Partnerstadt.


Insgesamt 30 000 Euro an Spenden
„Wir haben inzwischen 20 000 Euro überwiesen“, erklärt der Theologe. „Das Geld wurde vor allem für den Kauf von Fahrrädern, die den evakuierten Kindern zugutekamen, verwendet.“ Und Lohrbächer hat bereits die nächsten guten Neuigkeiten im Gepäck. Mittlerweile habe der Freundeskreis die 30 000-Euro-Marke bei den Spenden überschritten. Der nächste Verwendungszweck ist, die Traumatherapie zu unterstützen, die den Geflüchteten zugutekommt. „Es ist nicht möglich, den Horror, den diese Menschen erlebt haben, zu begreifen“, heißt es hierzu aus dem Rathaus in Ramat Gan. Viele von ihnen haben Familienangehörige bei dem Angriff am 7. Oktober verloren. Manche bangen immer noch um die Leben von entführten Angehörigen.


Der Freundeskreis Weinheim-Ramat-Gan bittet weiter um die Solidarität der Bevölkerung. Der gemeinnützige Verein verpflichtet sich, die Spenden zu 100 Prozent weiterzuleiten. Spendenkonto bei der Volksbank Kurpfalz: Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan e.V. IBAN DE21 6709 2300 0001 1646 00


Mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten

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Ziel: 30.000 Euro für Ramat Gan

Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan: Die Spendenaktion für Menschen in der Partnerstadt läuft weiter. Aufruf zur Solidarität

Weinheimer Nachrichten, 30.11.2023

Weinheim. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel überschattete die Generalversammlung des Freundeskreises Weinheim – Ramat Gan. Der Freundeskreis wurde 1990 als Verein gegründet von Bürgern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, freundschaftliche Beziehungen mit den Menschen in der israelischen Stadt Ramat Gan zu pflegen und zu fördern. Kernstück der Arbeit ist die Förderung des Jugendaustausches der beiden Partnerstädte. In seinem Bericht ging Vorsitzender Albrecht Lohrbächer ausführlich auf die aktuelle Situation in Israel und insbesondere der Partnerstadt ein. Lohrbächer bedauerte den Tod des Ehrenmitglieds Moshe Meron. Er war stellvertretender Bürgermeister von Ramat Gan, Mitglied der Knesset und Vorsitzender der Ramat-Gan-Stiftung. Die Städtepartnerschaft ging auf seine Initiative zurück. Meron starb mit 97 Jahren in der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober.


Lohrbächer hält enge Kontakte zu den Menschen in Ramat Gan und schilderte das Leid der Binnenflüchtlinge, die gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen, um zu überleben. „Daher kann das Geld aus der Spendenaktion, zu der der Freundeskreis aufgerufen hat, sehr gut eingesetzt werden“, betonte er und berichtete stolz und erfreut, dass inzwischen knapp 24.000 Euro zusammengekommen seien.


5000 Euro spendete der Freundeskreis aus seinem Vereinsvermögen mit Zustimmung der anwesenden Mitglieder. Rund 80 Einzelspenden, auch in namhafter Höhe, gingen bisher ein. Auch eine Spende der Stadt Weinheim ist zugesagt. „Ich wünsche mir, dass 30.000 Euro zusammenkommen. Das wäre für unseren Verein ein wunderbares Weihnachtsgeschenk“, ergänzte Lohrbächer.


Erste Spenden überwiesen
Die ersten 10.000 Euro sind bereits an die „Ramat-Gan-Stiftung“ überwiesen. Der Betrag werde unter anderem dafür verwendet, um das Leid der Binnenflüchtlinge, die oftmals nur noch das haben, was sie bei der Flucht auf dem Leib getragen haben, zu lindern, berichtete der Vorsitzende.

 

Ramat Gan hat, wie rund 100 Städte in Israel auch, Menschen aus anderen Landesteilen aufgenommen. Ihre Versorgung übernehmen viele ehrenamtliche Helfer, indem sie Zeltstädte errichten oder Hotels für die Unterbringung ausstatten. „Wenn noch mehr Menschen sich mit unserer Partnerstadt solidarisch erklären könnten und einen Betrag spenden, wäre das ein ganz großartiges Zeichen aus Weinheim“, ergänzte Lohrbächer.


Im weiteren Verlauf der Versammlung erstattete Kassenwartin Maina Somers ihren Bericht. Die beiden Kassenprüfer, Dirk Ahlheim und Thomas Ott, attestierten ihr eine einwandfreie Buchführung. Der gesamte Vorstand wurde für 2022 einstimmig entlastet.


Feier fraglich
Das Vereinsjahr 2024 sollte ein besonderes werden, denn die Partnerschaft zwischen Weinheim und Ramat Gan besteht 25 Jahre. „Aufgrund des Krieges kann ich mir, in Abstimmung mit Oberbürgermeister Manuel Just, frühestens im Herbst nächsten Jahres eine Feier – in welcher Form auch immer – vorstellen“, sagte Lohrbächer.


Bei den sich anschließenden turnusgemäßen Vorstandswahlen wurde Albrecht Lohrbächer als Vorsitzender in seinem Amt bestätigt. Angelika Wetter bleibt Stellvertreterin. Das Amt der Schatzmeisterin füllt weiterhin Maina Somers aus. Ebenso im Vorstand arbeiten weiterhin Wolfgang Fath, Andrea Pascher und Bernd Schlesselmann. Neu in den Vorstand wurden gewählt Rolf Hackenbroch und Luca Panizzo, die erst Mitte des Jahres zum Freundeskreis kamen. Die beiden Kassenprüfer Dr. Thomas Ott und Dirk Ahlheim wurden für weitere zwei Jahre wiedergewählt. Dr. Carsten Labudda scheidet aus dem Gremium ebenso aus wie Ines Starp.


Mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten

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Spenden für Binnenflüchlinge

Weinheimer überweisen 15.000 Euro für Unterbringung von heimatlosen, jüdischen und arabischen Israelis.

Unter den Geflüchteten aus den Orten rund um Gaza befinden sich viele Kinder – jüdische wie arabische.

Das Bild zeigt Ramat Gans Oberbürgermeister mit einem Mädchen, das seine Heimat verlor. Foto: Facebook/Mayor Shama

Weinheimer Nachrichten, 18.11.2023

„Ich habe wunderbare Neuigkeiten!“, meldet sich Albrecht Lohrbächer über das Telefon. Der „Vater“ des Austauschs zwischen Weinheim und seiner israelischen Partnerstadt Ramat Gan hat in den vergangenen Wochen fleißig Spenden gesammelt. Dabei kam eine beträchtliche Summe zusammen: mehr als 15 000 Euro, 10 000 Euro davon wurden bereits überwiesen.

Das Geld kommt jüdischen und arabischen Binnenflüchtlingen zugute, die den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober in den Ortschaften rund um den Gazastreifen überlebten. Über 200 000 jüdische und arabische Israelis verließen aus Angst vor Hamas und Hisbollah ihre Heimat. Etwa 1000 fanden in Ramat Gan Zuflucht. „Der Freundeskreis hat entschieden, der Partnerstadt dabei mit einer Spendensammlung unter die Arme zu greifen“, so Albrecht Lohrbächer.

Die dramatischen Schicksale, die sich seit dem 7. Oktober ereignen, rauben den Atem. In Israel und Gaza verloren viele tausend Menschen, darunter viele Kinder, ihr Leben. Verwundete, Obdachlose, ruinierte Existenzen: Die Liste ließe sich endlos weiterführen. Der Theologe Albrecht Lohrbächer will in dieser tragischen Gemengelage auf das Leid der Binnenflüchtlinge aufmerksam machen. Da er im ständigen Austausch mit Partnerstadt und -Städtern steht, wird ihm von ihrem Schicksal aus erster Hand berichtet.

„Sie haben nur das übrig, was sie bei ihrem Entkommen auf dem Leib trugen. Das bedeutet, sie haben ihre Arbeit, ihr Einkommen verloren, in den meisten Fällen alle Dokumente“, erzählt er. Sie müssen täglich versorgt werden, leben oftmals in Zelten und das unter dem täglichen Raketenterror der Hamas (90 Sekunden bis zum nächsten Bunker). Für die vielen Kinder und Jugendlichen müssen Betreuung und Unterricht organisiert werden. „Da die Väter oft als Soldaten im Kampf mit der Hamas eingesetzt sind, müssen die Familien auch noch mit der täglichen Ungewissheit fertig werden, ob diese überleben“, so der Weinheimer. Erst kürzlich erreichte ihn die erschütternde Nachricht, dass der Enkel eines Freundes zu Grabe getragen werden musste. Der Soldat war im Krieg gefallen.

Angesichts der riesigen Herausforderungen, der fast 100 Städte in Israel bei der Unterbringung von etlichen Binnenflüchtlingen sich ausgesetzt sehen, sind die Verantwortlichen in Ramat Gan und die vielen ehrenamtlichen Helfer für jede materielle Unterstützung dankbar. Zusammen mit dem Oberbürgermeister, Manuel Just, ist der Freundeskreis davon überzeugt, dass Städtepartnerschaft sich jetzt neben Solidaritätsbekundungen vor allem in sichtbarer Unterstützung bei der Bewältigung von Unterbringung und Betreuung zu bewähren hat. „Darum rufen wir gemeinsam noch weiter alle, die mit uns die solidarische Verbindung zwischen Israelis und unserer Bevölkerung zeigen wollen, auf, uns einen Geldbetrag für diese Aktion zur Verfügung zu stellen.“

 

 

Die israelische Flagge wird vor dem Rathaus Weinheim gehisst. Foto: Stadt Weinheim

Ramat Gans Oberbürgermeister Carmel Shama-Hacohen zeigt sich von der Solidaritätsaktion der Weinheimer Partnerstadt überaus dankbar. Besonders überwältigt sei er von der Geste des Zusammenhalts, die das Rathaus mit dem Hissen der israelischen Flagge zum Ausdruck brachte.

Der gemeinnützige Verein Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan verpflichtet sich, die Spenden zu 100  Prozent weiterzuleiten. Spendenkonto bei der Volksbank Weinheim: Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan e.V. IBAN DE21 6709 2300 0001 1646 00

Mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten

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"Nie mehr Opfer sein"​

Es ist Zeit für gelebte Solidarität mit den Juden in Deutschland und in Israel!

Weinheim / Hemsbach, 13.11.2023

Seit dem Ende der Schoa sind Juden dazu entschlossen: Wir wollen nie mehr Opfer sein!

Am 7. Oktober und an den folgenden Tagen wurde diese Lehre aus der Schoa von islamischen Terroristen mit unmenschlicher Bestialität angegriffen. In der Folge werden bisher kaum gekannte antisemitische Angriffe weltweit, auch in Deutschland und Europa, auf dort lebende Jüdinnen und Juden verübt.

Als ein Zusammenschluss von Bürgern, die an der Seite von Juden und Israelis stehen, wenden wir uns

  • gegen jede Form, Täter und Opfer zu verkehren, weil klar ist, dass Israel sich gegen den Terror verteidigt und sich verteidigen muss.

  • gegen den judenfeindlichen Hass auf unseren Straßen, der Juden unter uns bedroht und die Existenz des Staates Israels in Frage stellt.

Es ist jetzt nicht die Zeit, aus sicherer Entfernung den Israelis wohlfeile Ratschläge zu erteilen, was sie zu tun und oder zu lassen haben, gar von ihnen zu fordern, die Bekämpfung der Hamas zu stoppen, solange sie täglich mit Raketen beschossen werden und solange die israelischen Geiseln in der Hand von Terroristen sind.

Es ist Zeit, der jüdischen Minderheit unter uns nicht nur mitfühlende Worte zukommen zu lassen, sondern ihnen aufmerksam zuzuhören und erkennbar zur Seite zu stehen.

Es ist Zeit, den traumatisierten israelischen Bürgern, Juden wie Arabern, die volle politische und materielle Unterstützung zuteilwerden zu lassen.

Es ist Zeit, jenen, die den Hass gegen Juden und Israelis auf unseren Straßen befördern, öffentlich zu widerstehen.

Es ist Zeit für gelebte Solidarität mit Juden in Deutschland und in Israel!

Hamas-Rakete schlägt in Wohnhaus der Partnerstadt Ramat Gan ein

Foto: Facebook / MayorShama

Weinheimer Nachrichten, 29.10.2023

Am Samstagabend versagt der Schutzschirm „Iron Dome“ in Weinheims israelischer Partnerstadt. Das öffentliche Leben kommt zum Stillstand. Noch in der Nacht meldet sich die Verwaltungs- und Sicherheitsspitze mit geplanten Maßnahmen bei der Bevölkerung zurück.

 

Die langanhaltende und unaufhörliche Angst wurde nun bittere Realität: Am Samstagabend versagt der Raketenschutzschirm „Iron Dome“ das erste Mal in Weinheims Partnerstadt. „Direkttreffer in einem Privathaus in Ramat Gan, derzeit gibt es keine Verletztenmeldungen. Auf dem Weg dorthin werde ich ein Update machen“, sendet Bürgermeister Shama-Hacohen eine Eilmeldung über die sozialen Medien auf seinem Weg zu dem zertrümmerten Gebäude. Auch im Umland kommt es zu Raketeneinschlägen. Hier gibt es hingegen Verletzte.


„Direkter Treffer“
Nach Angaben Shama-Hacohens handelte es sich bei dem Haus in Ramat Gan um einen „direkten Treffer“. Todesopfer oder Verletzte habe es glücklicherweise keine gegeben – abgesehen von „Panik-Opfern“, die der Raketeneinschlag verursacht habe. Der Bürgermeister sagte dies nicht ohne Grund: Die psychologische Dimension, die dieses Versagen des Raketenschutzschirms in den Köpfen der Einwohner bekommt, ist nicht zu unterschätzen. Die Alarmtöne, die aus Sirenen und Smartphones erschallen, gehören zum ständigen Grundrauschen im Leben der Partnerstadt. Mit dem Raketeneinschlag auf Ramat Gans Gemarkung wird die Bedrohung wieder greifbar.


Zuletzt versagte das System 2021: Damals fanden zwei Raketen ihren Weg nach Ramat Gan, als militante Palästinenser massiv den Großraum Tel Aviv beschossen haben. Das Bombardement kostete einen 55 Jahre alten Mann sein Leben, der wegen gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage war, sich in einen der Bunker zu begeben. Ob sich die Einwohner des am Samstag bombardierten Hauses ebenfalls in einen Schutzraum flüchten konnten
oder nicht zuhause waren, ist nicht bekannt.


Der Schock sitzt tief
„Man muss verstehen“, so der Weinheimer Theologe Albrecht Lohrbächer im Gespräch mit den WN/OZ, „dass der Schock vom 7. Oktober unglaublich tief sitzt und immer wieder hochkommt". Als „Vater“ der deutsch-israelischen Städtepartnerschaft befindet sich der 80- Jährige im ständigen Austausch mit Akteuren und Einwohnern Ramat Gans. Durch seine vielen Besuche in Israel und der Partnerstadt versteht er die Mentalität der Menschen wie
kaum ein Zweiter in Weinheim. „In Ramat Gan kennt jeder jeden. Die Verbundenheit mit dem Leid des Volkes ist in dem kleinen Israel ohnehin sehr hoch. Sie begreifen sich als Schicksalsgemeinschaft.“


Der Raketentreffer hat unmittelbare Folgen für das gesellschaftliche Leben in Ramat Gan. Noch am Samstag setzte das israelische Heimatfront-Kommando die Warnstufe von Grün auf Gelb zurück. Das Regionalkommando der israelischen Streitkräfte, das 1992 als unmittelbare Reaktion auf den Zweiten Golfkrieg gegründet wurde, ist unter anderem für die Führung und Koordination der israelischen Zivilverteidigung und des Zivil- und
Katastrophenschutzes zuständig. Die Stadtverwaltung zog sich zur Re-Evaluation der Lage zurück.

 

Später am Abend meldete sich die Verwaltungs- und Sicherheitsspitze bei der Bevölkerung. Das öffentliche Leben in Weinheims Partnerstadt, es wird weiter stillstehen. Ähnlich wie im pandemiebedingten Lockdown sind Cafés und Geschäfte geschlossen - abgesehen von Angeboten, die der Grundversorgung dienen. Auch der Baustellenbetrieb wurde eingestellt. Bürgermeister Shama-Hacohen wollte die Verkehrsinfrastruktur und Zugänge zu Schutzbunkern von dem Baustellenbetrieb und den -fahrzeugen frei halten.

 

„Der Bürgermeister stand aufgrund dieser Entscheidungen unter massivem Druck“, erzählt Albrecht Lohrbächer. Vor allem, weil die israelische Stadt im Bezirk Tel Aviv mehr Restriktionen aufweist als manche andere Kommune, deutlich mehr als das nur 20 Minuten entfernte Tel Aviv selbst. In Bezug auf den Baustellenstopp hatten die Firmen sogar per Eilverfahren vor Gericht geklagt.


Heimunterricht für Schüler
Im Netz wurde insbesondere die Kritik an den Schulschließungen laut. Vermutlich startete der Bürgermeister auch deswegen eine Umfrage auf Facebook, bevor er die einzelnen Maßnahmen bekannt gab. Gleichwohl betonte er gleichzeitig, dass das Meinungsbild „keinen direkten Einfluss“ auf die Entscheidung habe. So beschloss die Verwaltungsspitze nun auch, die weiterführenden Schulen in den Heimunterricht zu schicken. Im Bereich der
Grundschulen wird lediglich ein Teil des Unterrichts in den Klassenstufen eins bis drei in Präsenz stattfinden. Der Betrieb in Kindergärten und -tagesstätten wird eingeschränkt fortgeführt.


Die Zahl der Todesopfer unter den Einwohnern Ramat Gans bewegt sich im zweistelligen Bereich. Vor allem sind es junge Soldatinnen und Soldaten, die ihr Leben ließen. Es gab jedoch auch Bürger, die bei den blutigen Massakern der Hamas-Terroristen in und um den Kibbuz Re’im im Süden Israels zugegen waren. Die 26-jährige Einwohnerin Ramat Gans Oriya Ricardo wurde dabei getötet.


Mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten.

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Kundgebung im Weinheimer Stadtgarten:

Terror der Hamas wirft düstere Schatten auf Partnerstadt Ramat Gan

Weinheimer Nachrichten, 14.10.2023

Weinheim. Inmitten grauer Wolken und im Herzen des Weinheimer Stadtgartens versammelten sich am Donnerstag 130 Menschen, um ein starkes Zeichen der Solidarität für Israel zu setzen. Sie folgten dem Aufruf des Bündnisses „Weinheim bleibt bunt“ und des Freundeskreises Ramat Gan, um gegen die Terroranschläge der Hamas zu protestieren und der Opfer zu gedenken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Foto: Marco Schilling


„Solidarität für Israel“, rief ein Mann und schwenkte die israelische Nationalflagge in dem von grauen Wolken gezeichneten Weinheimer Stadtgarten. Am Mahnmal für die  Opfer von Krieg und Gewalt versammelten sich am Donnerstagabend 130 Menschen, um ein deutliches Zeichen gegen die Terroranschläge der Hamas in Israel zu setzen und gleichzeitig der zahlreichen Opfer zu gedenken. Sie folgten dem Aufruf des Bündnisses „Weinheim bleibt bunt“ und des Freundeskreises Weinheim- Ramat Gan.


Terror der Hamas
Denn der Krieg in Israel macht selbst vor Weinheims Partnerstadt Ramat Gan nicht Halt. Der Terror der Hamas wirft düstere Schatten auf die Stadt im Bezirk Tel Aviv. Albrecht Lohrbächer, der Vorsitzende des Freundeskreises, verlas die Namen der teils noch sehr jungen Soldaten, die im Kampf gegen die Terroristen gefallen sind: Daniel Asher Cohen, Niv Tel Zur, Ido Peretz, Eli Bar Am, Gal Navon, David Binenstock, Ido Israel Shani, Yuval Libani, Olga Rumshkin, Eden Abdelayev.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Foto: Marco Schilling


Nach einer Schweigeminute berichtete der Theologe über die aktuelle Lage in Israel. Der 80-Jährige rief dazu auf, kritische Fragen zu stellen und betonte die Notwendigkeit, Solidarität mit Israel in Deutschland zu zeigen. Die Sicherheit und das Wohlergehen jüdischer Bürger habe oberste Priorität. Lohrbächer betonte, dass die Freunde aus Ramat Gan auf die uneingeschränkte Unterstützung der Deutschen und Weinheimer zählen.


Luca Toldo, Hemsbacher Saxofonist und Dirigent des Orchesters der Jüdischen Gemeinde Mannheim, begleitete die Kundgebung musikalisch. Die Melodien erfüllten die Andacht mit dunklen, aber auch sanften Tönen, die zum Nachdenken anregten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Marco Schilling


„Wir trauern um viele Frauen, Kinder, Jugendliche, Alte, Soldaten", sagte Stella Kirgiane-Efremidou. Die Weinheimer Stadträtin drückte in ihrer Rede tiefe Trauer über die Opfer in Israel aus. Sie verurteilte den unmenschlichen Angriff der Hamas und betonte, dass man solche Gräueltaten nicht hinnehmen dürfe. Sie rief dazu auf, nicht abzustumpfen: „Dieser Konflikt geht uns alle etwas an.“ Die Weinheimerin forderte auch die Ablehnung von Hass und Antisemitismus. „Was wir auf keinen Fall tolerieren und akzeptieren dürfen – egal, wie man zu diesem politischen Konflikt steht – ist, dass Hass in unserem Land offen skandiert werden darf!“ Leid und Tod dürften nicht zum Anlass genommen werden, sich zu freuen.

 

Nach diesen eindringlichen Worten machte Oberbürgermeister Manuel Just deutlich: „Es ist heute der siebte Tag des Angriffes auf Israel. Das Land beklagt über 1000 Todesopfer, die Bilder von grausamen, barbarischen Morden lassen uns nicht mehr los.“ Just führte weiter aus: „Ich bin sehr froh und dankbar über die klare Haltung unserer Bundesregierung und unserer europäischen Nachbarn. Dass die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson gehört, ist das Ergebnis unserer gemeinsamen Vergangenheit.“ Abschließend bedankte sich der Oberbürgermeister beim Bündnis „Weinheim bleibt bunt“ und bei Albrecht Lohrbächer für sein Engagement. Just kündigte die Unterstützung des Spendenaufrufs für Ramat Gan an.

 

„Auge um Auge, Zahn um Zahn. Gewalt, die weiterhin Gewalt hervorbringt“ – für Daniel Ott ist das der falsche Ansatz für Frieden. Ott hat zwei Wochen in einem Kibbuz, also einer jüdischen Gemeinschaftssiedlung, verbracht und konnte sich ein persönliches Bild vom Leben in Israel machen. Im Zuge eines wissenschaftlichen Projekts hat er enge Freundschaften zu Israelis und Palästinensern geschlossen. Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass es auf beiden Seiten zivile Opfer gibt, so Ott. „Rache befeuert den endlosen Kreislauf der Gewalt“ und müsse für den Frieden unterbrochen werden, sagte der junge Weinheimer.


Im Verlauf der Veranstaltung hörten die Anwesenden bewegende Berichte, die Bürger von Ramat Gan an Albrecht Lohrbächer geschickt hatten und von
Hohensachsens Ortsvorsteherin Monika Springer sowie Dirk Ahlheim vorgetragen wurden. Beide sind Mitglieder von „Weinheim bleibt bunt“. Springer gab die Schilderungen einer 45-jährigen Frau über die schrecklichen Geiselnahmen wieder und zitierte sie mit den Worten: „Israel kämpft und überlebt.“ Dirk Ahlheim, ebenfalls tief bewegt, las den Text eines 50-jährigen Mannes vor, der seine Dankbarkeit für die deutsche Solidarität in wenigen Zeilen ausdrückte. Die Botschaft des 50-Jährigen: „Unser eigenes Land muss verteidigt werden.“


Der Freundeskreis Weinheim - Ramat Gan und die Stadt Weinheim rufen dazu auf, Geld zu spenden für die Freunde in Ramat Gan, Mitarbeiter der Stadt und Freiwillige, die den aus den Kommunen um Gaza Evakuierten helfen. Von Loredana Bland

 

Spendenkonto: Freundeskreis Weinheim - Ramat Gan, Volksbank Weinheim, IBAN:
DE21 6709 2300 0001 1646 00

- Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

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Solidarität mit Ramat Gan

Freundeskreis und Stadt Weinheim rufen zu Spenden für die israelische
Partnerstadt auf – „Solidarität muss konkret werden“

Stadt Weinheim, 12.10.2023

Weinheim. „Weinheims Partnerstadt Ramat Gan befindet sich unversehens mitten in einem blutigen Krieg. Raketenalarme jeden Tag, die Trauer um gefallene Soldaten ist allgegenwärtig, die realistische Furcht um einen Mehrfrontenkrieg greift um sich – aber auch ein spürbares Zusammenrücken der Bewohner ist erkennbar, viele Initiativen sind entstanden, sie alle wollen Menschen in Not helfen, den aus den Dörfern um den
Gazastreifen Evakuierten und alle denen, die im Abwehrkampf gegen die Terroristen stehen.“


So schätzt Albrecht Lohrbächer die Situation in Ramat Gan ein. Kein anderer Weinheimer kennt die Stadt bei Tel Aviv so gut wie der Theologe und Vorsitzende des Freundeskreises Weinheim-Ramat Gan, der Begründer der Städtepartnerschaft und Ehrenbürger Ramat Gans ist.


Er weiß auch: Ramat Gan hat, wie viele andere Städte auch, einige 100 Menschen aufgenommen, die am Wochenende die Pogrome entlang des Gazastreifens überlebt haben. Sie sind großenteils von dem grausamen Wüten der Terrorgruppen traumatisiert und brauchen dringend psychologische und materielle Hilfe.


Lohrbächer: „Wir verfolgen die Entwicklung voller Anteilnahme, wir stehen im Kontakt mit den Freunden in Ramat Gan und übermitteln ihnen unser Mitgefühl und drücken auch öffentlich unsere Solidarität mit Israel aus. Doch das genügt unserer Meinung nach nicht, wir wollen ein Zeichen für unsere solidarische Anteilnahme schicken.“


In diesem Sinne rufen der Freundeskreis und die Stadt Weinheim die Weinheimer Bevölkerung dazu auf, eine Geldspende zur Verfügung zu stellen, die Freunde in Ramat Gan, Mitarbeiter der Stadt und Freiwillige, in die Lage versetzen, großzügig den aus den Kommunen um Gaza Evakuierten zu helfen. Konkret wünscht sich der Freundeskreis: „Wir wollen mit einem hoffentlich namhaften Geldbetrag unsere Verbundenheit zeigen und die Hilfe für die aufgenommenen Menschen, die alles verloren haben und schwer traumatisiert sind, mittragen helfen.“


Der Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan ist als Verein gemeinnützig anerkannt, er verpflichtet sich, die Spenden zu 100 Prozent weiterzuleiten. Der Freundeskreis hat bereits einen Erstbetrag von 1000 Euro zur Verfügung gestellt.

 

Spendenkonto: Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan e.V.: Volksbank Weinheim - IBAN DE21 6709 2300 0001 1646 00

Krieg in Weinheims Partnerstadt:

Bürgermeister meldet Entführungen von Einwohnern

Inmitten des Großangriffs der Hamas auf Israel ist die Stadt Ramat Gan, Partnerstadt von
Weinheim, in ständiger Alarmbereitschaft. Bürgermeister Carmel Shama-Hacohen und die
Bewohner der Stadt leben in permanenter Angst vor Raketenbeschuss. Während die Medien
über die Entwicklungen berichten, versucht Shama-Hacohen, die Bevölkerung auf dem
Laufenden zu halten und ruft zur Besonnenheit auf.

Weinheimer Nachrichten, 09.10.2023

                                   Ramat Gans Bürgermeister Carmel Shana-Hacohen hält die

                                             Einwohner per Facebook auf dem Laufenden

 

                                                                                                                                                                                      Israel und der Großraum Tel Aviv

                                                                                                                                                                                  sind das Ziel unzähliger Raketenangriffe

 

Weinheim. „Plötzlich ist Krieg in Israel. Der Großangriff der Hamas versetzt die Bewohner des Landes in Angst und Schrecken. Nie zuvor starben so viele Zivilisten in so kurzer Zeit. Der Bezirk Tel Aviv ist eines der unzähligen Ziele des Raketenbeschusses. Dort ist auch Weinheims Partnerstadt Ramat Gan gelegen. Innerhalb der Stadtgrenzen herrscht ständige Alarmbereitschaft durch die Bombardements. Außerhalb der Stadtgrenzen sind viele schon zum Opfer der Hamas geworden: „Leider wissen wir bereits von einigen Einwohnern der Stadt, die an der Südfront entführt oder schwer verletzt wurden oder vermisst werden“, teilt Ramat Gans Bürgermeister Carmel Shama-Hacohen mit. „Wir werden beten, dass sie bald nach Hause zurückkehren.“


Die Medien berichten am laufenden Band über die Entwicklungen im Land. Die Zahl der Toten steigt auf beiden Seiten immer weiter: Am Sonntagnachmittag beziffert die Deutsche Nachrichtenagentur die Zahl der Todesopfer allein auf israelischer Seite mit 500, hinzu kommen 2000 Verletzte. Über alle Sender prasseln die Meldungen in der verworrenen Nachrichtenlage ein, die die Menschen in der Hoffnung verfolgen, Gewissheit über vermisste Angehörige zu erlangen. Carmel Shama-Hacohen hält die Bevölkerung unter anderem über Facebook auf dem Laufenden: „Bei jedem
ungewöhnlichen Ereignis in der Stadt, das eine Gefahr für Sie darstellt, werde ich Sie umgehend informieren“, verspricht er den Bürgern.


Der 50-Jährige warnt, bittet um Verständnis sowie Solidarität und ruft zur Besonnenheit auf. Auch weil der Raketenschutzschirm rissig werden könnte: „Das Risiko, dass Raketen aufgrund der Intensität des Bombardements einschlagen, ist höher denn je“, so Carmel Shama-Hacohen. Bürger sollten beim Rausgehen auf die Straße jederzeit die Fluchtmöglichkeit in geschützte Räume im Auge behalten, „wenn der Alarm ertönt“. Der Bürgermeister appelliert an die Sensibilität und Hilfsbereitschaft für ältere Mitbürger: „Einige von ihnen haben Schwierigkeiten, die Realität der Notsituation alleine zu bewältigen.“ Und Carmel Shama-Hacohen bittet: Fake News sollen ignoriert und schon gar nicht verbreitet werden.

Albrecht Lohrbächer (Zweiter von links) und Oberbürgermeister Manuel Just (Mitte) bei ihrem Besuch in Ramat Gan im Juni.Albrecht Lohrbächer (Zweiter von links) und Oberbürgermeister Manuel Just (Mitte) bei ihrem Besuch in Ramat Gan im Juni.

 

„Beide meiner Söhne sind in der Armee“, sagt Jehoschua*. Durch die strikte Wehrpflicht, die allen 16-jährigen Einwohnern vorschreibt, sich im Register der israelischen Armeebehörden erfassen zu lassen, bangen etliche Eltern um ihre Kinder. „Fast jede Familie ist von der Mobilmachung betroffen“, sagt Albrecht Lohrbächer, „Vater“ des Austauschs zwischen Weinheim und Ramat Gan. Auch Jehoschua, der wegen seiner Söhne eindringlich darum bittet, nicht mit echtem Namen genannt zu werden. Der Klang seiner Stimme am Telefon gibt einen vagen Einblick in die Erschütterung und die Sorge der Bürger aus der Partnerstadt. Der eigentlich so lustige, Witze reißende Mann ist seit seinem Besuch im Juli, als er mit einer Delegation Weinheim besuchte, wie ausgewechselt. Ende dieses Monats ist der Gegenbesuch der Weinheimer geplant. In Anbetracht der Situation scheint das Vorhaben jedoch sehr unwahrscheinlich.

                                                                                          Im Juli war eine Delegation aus Ramat Gan in Weinheim.

Albrecht Lohrbächer steht in ständigem Austausch zu befreundeten Bürgern und Israelis aus anderen Teilen des Landes. Darunter ist auch Dani Gogol, dessen verstorbener Vater Schmuel mit der Kinder-Harmonikagruppe Ramat Gans mehrfach
Weinheim besuchte und damit den Grundstein für die Städtefreundschaft legte. Die Sorge ist groß: „Dani hat zwei Enkel, die in der Nähe des Gazastreifens im Militär aktiv sind.“


Albrecht Lohrbächer hat auf seinem Smartphone die Warn-App Tzofar installiert. Die unaufhörlichen Handymeldungen über die verheerenden Raketenbeschüsse auf Israel tönen auch während des Gesprächs mit den WN aus Lohrbächers Hosentasche. „Die letzte Warnung für Ramat Gan war gestern um 20.19 Uhr“, berichtet der ehemalige Schuldekan und Theologe am Sonntag.


Facebook-Beitrag entsperren
„Wir hören die Explosionen. Die Raketen schlagen vielleicht zehn bis zwanzig Kilometer von uns ein“, erzählt Jehoschua. Nimmt eine palästinensische Rakete das Gebiet ins Visier, dröhnt es aus den Alarmsirenen und den Smartphones. Die Information über den ermittelten Einschlagort verrät, wie viel Zeit dann zur Flucht bleibt. Mal ist es eine Minute. Mal sind es zehn Sekunden. „Die meisten Wohnungen verfügen über Panikräume aus Beton und Metall“, erklärt der Israeli. „Nachdem wir die Explosion hören, müssen wir zehn Minuten warten, dann dürfen wir den Panikraum wieder verlassen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                              Oberbürgermeister Manuel Just


Kundgebung für Ramat Gan
Das Bündnis „Weinheim bleibt bunt“, dem auch der Ramat Gan-Freundeskreis, die Stadt Weinheim und der Stadtjugendring angehören, lädt für Donnerstag, 12. Oktober, 18 Uhr, zu einer Kundgebung am Mahnmal im Stadtgarten (Ehretstraße) an, um dort gemeinsam gegen Krieg und für die Menschen in Israel anzutreten. Die Bevölkerung Weinheims ist hierzu herzlich eingeladen. Der Stadtjugendring hatte für November eine Reise mit Jugendlichen nach Ramat Gan geplant.

 

Oberbürgermeister Manuel Just, der im Juni zu Gast in der Partnerstadt war, drückt seine Solidarität mit und sein Mitgefühl für Ramat Gan aus. „Seit ich von den Angriffen aus unseren Medien erfahren habe, bin ich tief betroffen. Meine Gedanken waren sofort bei unseren Freunden in Israel“, erklärt er. Bei seinem Besuch in Ramat Gan habe er erlebt, in welchem Maße die Menschen dort ihr Leben mit immer wieder drohenden und realen terroristischen Anschlägen in Einklang zu bringen versuchen. „Eine Kriegserklärung mit gleichzeitig einhergehendem massivem Beschuss – wie im Moment – stellt jedoch meines Erachtens eine neue Dimension im Kontext der jüngeren Vergangenheit dar.“

Solidarität mit Ramat Gan
OB Just und Albrecht Lohrbächer haben vereinbart, dass sie im engen Austausch über die Lage in Ramat Gan bleiben. Zu passender Zeit soll es sehr schnell auch einen persönlichen Kontakt zu Justs Amtskollegen Carmel Shama-Hacohen geben, sowie zum Ersten Bürgermeister Roi Barzilai. Just: „In den nächsten Tagen wird zu prüfen und zu besprechen sein, wie wir als Partnerstadt und Freunde den Menschen in Ramat Gan konkret helfen können.“
Hilfe, das ist in Ramat Gan das große Gebot der Stunde. Jehoschua berichtet, dass die Familien Ramat Gans einschließlich aller Kinder Boxen mit Essen und Kleidung für die Bewohner Südisraels packen. „Wir bieten den Kindern hier Raum zum Wohnen an“, sagt er. Selbst für die Haustiere versuche man so gut es geht Unterstützung zu bieten.
(* Name von der Redaktion geändert)

- Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

Carmel Shama Hacohen Buergermeister Ramat Gan.jpg

Neue Wege der Erinnerungskultur

Symposium: Antisemitismus ist im Alltag immer noch präsent. Würdigung des jahrzehntelangen
Engagements von Albrecht Lohrbächer

 

Weinheimer Nachrichten, 01.08.2023

Aus Anlass des 80. Geburtstags von Albrecht Lohrbächer (rechts) fand am Sonntag ein Symposium zur Zukunft
der Erinnerungsarbeit und des Engagements für Israel im Alten Rathaus statt. Das Bild zeigt von links: Gabriel
Zellmer, Victor Márki, Michael Heitz, Caitlin Follo und Miriam Marhöfer. Bild: Carsten Propp

Weinheim. „80 Jahre alt – keine Zeit, Hof zu halten, schon gar nicht in diesen Krisen- und Kriegszeiten.“ Mit diesen Worten hatte Albrecht Lohrbächer zu einem Symposium eingeladen, das am Sonntag an seinem runden Geburtstag im Alten Rathaus stattfand. Dabei kamen unter der Moderation von Michael Heitz vom Vorstand der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Rhein-Neckar junge Menschen zu Wort, die sich – wie Lohrbächer – der Zukunft der Erinnerungsarbeit, dem Engagement für Israel und der Auseinandersetzung mit Antisemitismus verpflichtet fühlen. Der Blick war also in die Zukunft gerichtet.


Doch Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just ließ es sich – auch im Namen des Hemsbacher Bürgermeisters Jürgen Kirchner – nicht nehmen, die besondere Wertschätzung  für das jahrzehntelange Engagement Lohrbächers zum Ausdruck zu bringen. Der 80-Jährige stehe sinnbildlich für die Städtepartnerschaft zwischen Weinheim und Ramat Gan und habe sich gemeinsam mit seiner Frau Ulrike die deutsch-israelische Freundschaft zur
Lebensaufgabe gemacht.


Miriam Marhöfer von der jüdischen Gemeinde in Mannheim berichtete den Gästen über ihre ehrenamtliche Arbeit an Schulen, wo sie Jugendlichen über den jüdischen Alltag in Deutschland berichtet. Dass dazu die Polizeipräsenz vor der Synagoge gehört, sei leider „bittere Realität“.


Für Caitlin Follo, die sich in Hemsbach für ein Erinnerungsprojekt engagiert, werden Gedenkstätten einerseits immer wichtiger, weil es bald keine Zeitzeugen der Judenverfolgung unter den Nationalsozialisten mehr geben wird. Andererseits müssten neue, digitale Wege gefunden werden, um das Interesse junger Menschen zu wecken.


Von besonderer Bedeutung
Dieser Aufgabe hat sich Lukas Göcke verschrieben, der sich um die Website des Freundeskreises Weinheim – Ramat Gan kümmert. Von besonderer Bedeutung ist seiner ,Meinung nach auch der regelmäßige Schüleraustausch zwischen den beiden Städten, aus dem schon viele „Freundschaften fürs Leben“ hervorgegangen seien.


Gabriel Zellmer, der sich im Förderverein Ehemalige Synagoge Hemsbach engagiert und als Dozent angehende Lehrer ausbildet, machte deutlich, dass Antisemitismus im Alltag immer noch präsent sei. Deshalb sei es wichtig, das Thema in den Schulen nicht nur im Kontext der NS-Zeit zu behandeln. Denn auch bei aktueller Kritik an der Politik Israels schwinge oft unterschwellig Antisemitismus mit, meinte Victor Márki vom Jungen Forum in der DIG.
Begonnen hatte das Symposium mit dem musikalischen Beitrag „Der Baum des Lebens“ aus der jüdischen Liturgie, den der frühere Kantor und Rabbiner Gérald Rosenfeld seinem Freund Albrecht Lohrbächer widmete. Dazu passten die Geschenke, die der Jubilar von den Teilnehmern des Symposiums als besonderes Zeichen des Dankes erhielt: Sieben Bäume werden zu Ehren von Albrecht Lohrbächer in Israel gepflanzt.


Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Laurenz Lohrbächer. pro

- Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

Zum Abschied nochmal drücken

Austausch: Schüler aus israelischer Partnerstadt Ramat Gan verabschiedet

Weinheimer Nachrichten, 26.07.2023

 

 

Austauschschüler und -schülerinnen in Weinheim

Weinheim. Jalla Ramat Gan! Albrecht Lohrbächer begleitet die Jugendbegegnungen zwischen Jugendlichen aus Weinheim und seiner israelischen Partnerstadt Ramat Gan seit vielen Jahren. Das Treffen, das jetzt zu Ende gegangen ist, hat ihn besonders berührt. „Da ist sehr viel zusammengewachsen“, fasste er zusammen, als die jungen Leute im Bus zum Flughafen saßen.


Ihre Gastgeber aus Weinheim winkten ihnen lange nach. „So herzlich war es selten“, findet Lohrbächer, der auch Motor der Städtepartnerschaft und Ehrenbürger von Ramat Gan ist. Möglicherweise liege es an der unklaren politischen Situation in Israel, dass die Gespräche über Persönliches, aber auch über Politik und Geschichte diesmal besonders intensiv waren, so der frühere langjährige Schuldekan. Das hatten auch die begleitenden Lehrkräfte Smadar Caspi und Carmi Sternberg bestätigt.


Von Weinheimer Seite begleitete der Stadtjugendring den Austausch wie immer sehr eng. Ein bewegender Moment war es, als sich kurz vor der Abreise die Jugendlichen aus Ramat Gan und Weinheim spontan zu einem Kreis in die Arme nahmen. Der Freundeskreis Weinheim – Ramat-Gan hatte eine Torte für alle gespendet.

 

Ein Trost: Die jungen Menschen müssen nicht allzu lange auf ein Wiedersehen warten. Schon im Oktober ist der Gegenbesuch in Israel geplant. Und dann ist der Lebensweg ohnehin frei für langwährende Freundschaften. Vorbilder aus rund 40 Jahren Begegnung gibt es einige.

 

Bei ihrem Besuch in Weinheimwaren die Jugendlichen und ihre Lehrer unter anderem bei einem Gespräch im Rathaus zu Gast (wir haben berichtet).


Dort sprachen sie über die Gesellschaft, Geschichte und Gemeinschaft Ramat Gans. Und natürlich über das Austauschprojekt: Lehrerin Smadar Caspi erzählte, dass die Nachfrage nach dem Deutschlandaustausch sehr hoch ist. „Wir wählen die Teilnehmer sehr vorsichtig aus.“


Es sei keine reine Spaßveranstaltung. Mitfahren dürften nur die Vorzeigeschüler, die „die besten Botschafter für unsere Stadt“ darstellen würden. „Jeder will bei so etwas Besonderem dabei sein, aber nicht jeder kann es auch“, pflichtete der 17-jährige Harel Hanoch seiner Lehrerin bei.


-Mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten-

Austausch 2023.jpg

Junge Israelis erzählen über Justiz-Aufstände

Weinheim hat derzeit wieder Besuch aus der Partnerstadt Ramat Gan. Bei einem
Treffen im Rathaus sprechen drei von ihnen über Gesellschaft, Geschichte und
Gemeinschaft.

Weinheimer Nachrichten, 19.07.2023

 

 

Keine reine Kopf-, sondern vor allem eine Herzenssache: So sieht Wolfgang Metzeltin (Zweiter von
rechts) vom Stadtjugendring den über 30 Jahre alten Schüleraustausch zwischen Weinheim und
Ramat Gan. Im Rathaus trafen sich Jugendliche und Lehrer der israelischen Partnerstadt mit
Projektbetreuern und Erstem Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner zum Gespräch. Foto: Gabriel Schwab

Weinheim. Schalom Ramat Gan! Dieser Tage ist wieder jugendlicher Besuch aus der israelischen Partnerstadt in Weinheim zu Gast. Die 18-köpfige Gruppe ist im Rahmen des Schüleraustausches nach Deutschland gereist, über den bereits seit 1986 Brücken zwischen den Städten gebaut und wertvolle Freundschaften geknüpft werden. Eine tiefe Verbundenheit, die in den über 30 Jahren trotz widriger Umstände und Bedrohungslagen gepflegt wurde, wie Albrecht Lohrbächer, „Vater“ des Jugendaustauschs, bei einem Pressegespräch im Turmzimmer des Weinheimer Rathauses betonte.


Kriege und ihre Tribute
Denn Kriege und ihre Tribute sind in der jüngeren Geschichte des ohnehin jungen Vorortes von Tel Aviv immer wieder präsent gewesen. Erst 2021 fanden zwei Raketen ihren Weg nach Ramat Gan, als militante Palästinenser massiv den Großraum Tel Aviv beschossen (wir berichteten). Das Bombardement kostete einen 55 Jahre alten Mann sein Leben, der wegen gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage war, sich in einen der Bunker zu begeben.


Immer besser und moderner
So hatte die Antwort des 17-jährigen Harel Hanoch einen makaberen Humor inne, als er auf die Frage, auf was die Jugendlichen in Ramat Gan besonders stolz seien, entgegnete: „Dass die Stadt überhaupt noch existiert.“ Spaß beiseite: Die Stadt, die ihr hundertjähriges Bestehen feiert, werde sogar immer besser und moderner, während gleichzeitig das Brauchtum gepflegt werde. Daran haben auch die Jugendlichen einen nicht unerheblichen Anteil. Wie Lehrerin Smadar Caspi erklärte, müssen sich die jungen Israelis an ihren Nachmittagen in irgendeiner Form ehrenamtlich für ihre Stadt engagieren – obligatorisch. So erzählt der 16-jährige Idan Tayar von den täglichen Stippvisiten in den Parks, wo er und seine Mitschüler das Grün bewässern und stellenweise anpflanzen. Natürlich, fügt Harel hinzu, würden die Jugendlichen dabei die Anlagen auch von Müll befreien. „Die Aktivitäten“, sagte die
15-jährige Hila Shliselberg, „sind sehr wichtig und gut für die Stadtbevölkerung.“

 

Spaltung der Gesellschaft
Bei dieser ist seit den Protesten gegen die geplante Justizreform längst nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Albrecht Lohrbächer wollte von den Jugendlichen wissen, wie sie zu dem Thema stehen. Die Spaltung der Gesellschaft wurde daraufhin auch bei den drei Jugendlichen am Tisch deutlich, die in einen kurzen, aber sehr lebhaften Austausch kamen. „Wir machen das vielleicht lieber zusammen“, meinte schließlich die Lehrerin, bevor das Trio sich um sehr diplomatische Antworten abseits der politischen Debatte bemühte. Worin sich alle einig waren: „In jedem Fall müssen Aufstände, bei denen Schäden, Verletzungen und Angriffe auf die Polizei stattfinden, verhindert werden“, wie es Schülerin Hila ausdrückte. Und Idan Tayar: „Wir haben in Israel mit Kriegen und Covid schwere Zeiten hinter uns. Die Reform darf uns nicht spalten, wir müssen eine Einheit hinbekommen.“ Auch über die Landesgrenzen hinaus: Hierbei haben Austauschprogramme wie das zwischen Ramat Gan und Weinheim sowie die bald 25 Jahre alte Partnerschaft der beiden Städte einen unschätzbaren Wert.

 

Gegen das Vergessen
Ebenso bei den Schülern, die allesamt ihre Wertschätzung zum Ausdruck brachten. Lehrerin Caspi erzählt, dass die Nachfrage an den Deutschlandexkursionen sehr hoch ist. „Wir wählen die Teilnehmer sehr vorsichtig aus.“

 

Es sei keine reine Spaßveranstaltung. Mitfahren dürften nur die Vorzeigeschüler, die „die besten Botschafter für unsere Stadt“ darstellen. „Jeder will bei so etwas Besonderem dabei sein, aber nicht der kann es auch“, pflichtete der 17-jährige Harel bei. Dass sich Israel und Deutschland derart annähern können und konnten, ist bei Weitem keine Selbstverständlichkeit.


Das deutsche Volk fügte dem jüdischen in der Nazi-Zeit mit der Shoah, dem Mord an sechs Millionen Menschen, unfassbares Leid zu. Ein Verbrechen, das auch bei der jungen Bevölkerung längst nicht in Vergessenheit geraten ist. „In Israel absorbiert man das Thema teilweise sogar ab dem Kindergarten“, sagte Smadar Caspi. „Mein Opa ist ein Überlebender des Holocaust“, erzählte die 15-jährige Hila. Für sie ist es am wichtigsten, dass beide Seiten aus der Vergangenheit lernen. Auf keinen Fall dürfe man sie einfach vergessen.


-Mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten-

Kontakte nach Ramat Gan verbessert

Freundschaft: Delegation besuchte die israelische Partnerstadt anlässlich ihres 100. Geburtstages

 

Weinheimer Nachrichten, 17.06.2023

Eine kleine Weinheimer Delegation um Oberbürgermeister Manuel Just (Mitte) besuchte die Partnerstadt Ramat Gan. Bild: Stadt Weinheim

Weinheim. Die Städtepartnerschaft zwischen Weinheim und Ramat Gan in Israel besteht seit 1999 – also im nächsten Jahr seit 25 Jahren. Rechtzeitig vor dieser „Silbernen Hochzeit“ ist es jetzt gelungen, die Kontakte zwischen den beiden Kommunen aufzufrischen.

Vor wenigen Tagen weilte eine kleine Weinheimer Delegation mit Oberbürgermeister Manuel Just an der Spitze in Ramat Gan. Der OB traf dabei erstmals auf den stellvertretenden Bürgermeister Roi Barzilei und sprach weitere Aktivitäten ab.

Zur Delegation gehörten außerdem Justs Referentin und Partnerschaftsbeauftragte Gabi Lohrbächer-Gérard und Stadtrat Oliver Kümmerle sowie die beiden Partnerschaftsbegründer und Israel-Experten Ulrike und Albrecht Lohrbächer.

Albrecht Lohrbächer ist auch Vorsitzender des Freundeskreises Weinheim/Ramat Gan und Ehrenbürger der Partnerstadt. Anlass des Besuchs war das 100-jährige Bestehen der Stadt Ramat Gan, das im großen Stil mit einem Partnerstädtetreffen gefeiert wurde. Ramat Gan unterhält Städtepartnerschaften in fast der ganzen Welt. Besonders aktiv sind die Beziehungen zu Phoenix (USA).

Ein Schwerpunkt des Programms lag bei Bildungsangeboten der Stadt, in die es interessante Einblicke gab. Unter anderem besuchten die Weinheimer Gäste eine Schule für Kunsthandwerk, eine Theaterschule, aber auch eine Farm mit interessanten Projekten, bei denen Stadtkinder im Umgang mit Natur und Lebewesen geschult werden.

Natürlich wurde auch ein Besichtigungsprogramm angeboten, unter anderem mit einem Rundgang durch Tel Aviv sowie Besuchen in Haifa und Jerusalem. Oliver Kümmerle, Leiter der TSG-Basketball-Abteilung, knüpfte persönliche Kontakte mit dem Basketball-Club in Ramat Gan und führte bereits konkrete Gespräche über abwechselnde Besuche – bestenfalls zum Partnerschaftsjubiläum nächstes Jahr.


- Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

Uneingeschränkte Solidarität gefordert

Freundeskreis Weinheim Ramat Gan: Vortrag von Oliver Vrankovic zu anhaltenden Protesten in Israel am 11.05.2023

Weinheimer Nachrichten, 16.05.2023


Weinheim. „So schnell, wie sich momentan die Lage ändert, ist es müßig, sich vorher Notizen zu machen“, leitete Oliver Vrankovic seinen Vortrag zum Thema „Proteste in Israel – zwei Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber“ ein. Er war erneut auf Einladung des Freundeskreises Weinheim Ramat Gan in die Zweiburgenstadt gekommen.


Vrankovic arbeitet seit 2010 als Pflegehelfer in einem Seniorenheim in Weinheims israelischer Partnerstadt Ramat Gan. Um zu erläutern, wie es zu den Protesten gegen die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geplante Justizreform kam, zeigte er in seinem Vortrag mehrere Faktoren des gesellschaftlichen und politischen Lebens in Israel als Ursachen für die Proteste auf.


Drei Konflikte in der Gesellschaft
Da gebe es zum einen die Konflikte in der israelischen Gesellschaft – zwischen Arabern und Juden, zwischen Religiösen und Säkularen sowie zwischen den in städtischen Zentren und im ländlichen Raum lebenden Juden. Während der Konflikt zwischen Arabern und Juden im alltäglichen Leben bisher keine besondere Rolle gespielt habe, zeige er sich aber nun erneut in militärischen Auseinandersetzungen.


Um Israel zu verstehen, muss man die Bevölkerungsstruktur im Land kennen, zeigte Vrankovic auf: Rund 20 Prozent der israelischen Bevölkerung sind Araber, 80 Prozent Juden. Von den 20 Prozent Arabern sind wiederum 80 Prozent Muslime und 20 Prozent Christen. „Die meisten Araber sind froh, in Israel zu leben, vergleichen Israel mit dem arabischen Ausland und meinen, dass sie es unter jüdischer Herrschaft dann doch noch besser haben“, erläuterte er. Andere arrangierten sich, die restlichen Araber würden Israel hassen. „Diejenigen, die gern in Israel wohnen, strengen sich an, Teil der israelischen Gesellschaft zu werden – vor allem christliche Araber, die immer häufiger auch Militärdienst leisten wollen. Viele, auch muslimische Araber, streben gute Berufe an“, ergänzte der Referent.


Mit Extremisten sympathisieren
Auf der anderen Seite wachse die Zahl derer, die mit Extremisten sympathisierten – so etwa im Mai 2021 während des Israel-Gaza-Konfliktes, als es in vielen israelischen Städten schwere Unruhen gab.


Erschwerend komme hinzu, dass der momentanen Regierung Rechtsextreme angehörten, die die Araber hassen. Als weiteren Faktor für die Spaltung der Gesellschaft hob der Referent die Unterteilung der israelischen Gesellschaft in vier hauptsächliche Gruppen hervor: säkulare Juden, national-religiöse Juden, ultraorthodoxe Juden und Araber.


Gerade mit der Sonderstellung der Ultraorthodoxen, die historisch bedingt oft nicht arbeiten und keinen Wehrdienst leisten, werde der Nerv der übrigen Bevölkerung getroffen. Aus den ursprünglich wenigen Ultraorthodoxen, etwa zwei Prozent der Bevölkerung, sind heute fast 16 Prozent geworden. Im Folgenden schilderte Vrankovic die innenpolitische Situation seit 2011. Sie sei geprägt von taktischen Bündnissen, um unter anderem die Privilegien der
Ultraorthodoxen abschaffen zu können, was Ministerpräsident Benjamin Netanjahu jedoch nicht durchsetzte. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu Neuwahlen, bei denen Netanjahu zwar die Mehrheit für die rechtsnationale Regierung erringen konnte, aber keine Koalition zusammenbekam, sodass eine Regierungsbildung scheiterte.

 

Während der Corona-Pandemie rief Netanjahu zu Geschlossenheit auf, bildete eine Einheitsregierung und teilte das Amt des Premiers: Zunächst sollte er regieren, anschließend der ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz. „Doch als dieser Premier werden sollte, hat Netanjahu die Regierung platzen lassen“, berichtete der Referent. Wieder war das Land gelähmt.


Der Referent sprach aber auch über sehr persönliche Erfahrungen. Als er vor 16 Jahren nach Israel kam, habe es in dem Krankenhaus, in dem er arbeitete, Kollegen und Patienten unterschiedlichster Ethnien und Einstellungen gegeben – Juden, Araber, Christen, Muslime, Beduinen, Drusen, Gläubige, Nichtgläubige. Juden aus dem Irak, aus dem Jemen, aus Persien, Ungarn, Marokko, Uruguay, Rumänien, Russland, Äthiopien, Weißrussland,
Tadschikistan, Usbekistan. Alle brachten ihre eigene Kultur mit, alle wurden ausnahmslos gleichbehandelt. „Diese Mischung spiegelt die israelische Gesellschaft wider“, betont er.


Abgrenzung und Diskriminierung
In den folgenden Jahren habe sich die Gruppe der orientalischen Juden aus Nordafrika, die Mizrachim, stärker abgegrenzt. Sie fühlen sich übergangen, ihre Kultur wurde nicht anerkannt, ihr patriarchalisch-arabisches System nicht übernommen. Folge: Abgrenzung und Diskriminierung. Heute wählen zentrale Städte eher links, die Peripherie eher rechts. Diese Haltung werde über Generationen weitergegeben.

 

Bei den Wahlen 2022 schließlich vereinigte Netanjahu die Parteien am rechten Rand durch Zugeständnisse. Es folgten neue Gesetze: Geschenke dürfen jetzt von Regierungsmitgliedern angenommen werden. Premierminister dürfen nicht entlassen werden, es sei denn, sie sind psychisch krank. Weitere Pläne: Die Macht der Staatsanwaltschaft soll beschnitten werden, das Parlament soll Gerichte überstimmen und die Zusammensetzung der Gerichte beeinflussen dürfen.


Haben alle die gleichen Chancen?
Gerade Netanjahu wolle die Richter bestimmen, die seinen Prozess verhandeln. „Das treibt einerseits die Linke auf die Straße. Genauso protestierten die Mizrachim“, schilderte Vrankovic. Diese identifizieren sich mit Aryeh Deri, dem Gründer der Schas-Partei. Bevor er wegen Korruption verurteilt und inhaftiert wurde, konnte er viele Stimmen auf sich vereinigen.


„Im Grunde geht es um die Frage, ob alle Juden die gleichen Chancen haben“, bringt der Referent es auf den Punkt. Während der Streit um die Wehrpflicht „auf Eis gelegt“ sei, würden die Konflikte zwischen Religiösen und Säkularen aber immer heftiger.

Seine abschließende Bilanz: „Wir müssen mit Israel solidarisch sein, egal, welche Regierung an der Macht ist. Denn egal welche Regierung an der Macht ist, aus Gaza wird keine Rakete weniger fliegen.“ gw/ist


- Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

Eine Reise nach Jerusalem

Der Student Paul Keil erzählt von seinem Auslandsjahr in Israel

Weinheimer Nachrichten, 11./12.03.2023


Weinheim. Die Geschwister Maja und Paul Keil verbindet eine Leidenschaft: Ihre Begeisterung für das Land Israel. Beim Stammtisch des Freundeskreises Ramat Gan berichtete der Student am Donnerstagabend von der spannenden Reise der beiden und von den Erfahrungen, die sie in Israel sammelten. Seine Schwester musste leider kurzfristig absagen, sie hatte sich mit Corona infiziert.


Während ihrer Schulzeit, so der Student, klappte es zu ihrem Bedauern zwar nicht mit einem Austausch in die Weinheimer Partnerstadt Ramat Gan. Dafür haben die beiden nach dem Abitur eine Möglichkeit gefunden, für zehn beziehungsweise zwölf Monate nach Israel zu reisen. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz gelangten sie an die israelische Organisation Alut, die als Ziel hat, Menschen mit Autismus im Alltag zu begleiten und zu
betreuen.


So machte Paul Keil sich am 1. September 2021 auf den Weg, seine Schwester folgte ihm zwei Monate später. Insgesamt gibt es 19 Wohnheime in Israel, in denen die Menschen mit Autismus, liebevoll „friends“ (Freunde) genannt, untergebracht sind und von freiwilligen Helfern wie Maja und Paul Keil betreut werden. „Ich war für zwölf ,friends’ verantwortlich“, sagte der Student. Er wohnte zusammen mit vier anderen Jugendlichen in einer Wohngemeinschaft in Jerusalem, während Maja Keil ihren Freiwilligendienst in der Nähe von Tel Aviv leistete. Als „Taschengeld“ erhielten sie 1350 Shekel pro Monat – umgerechnet sind das 350 Euro. Davon finanzierten sich die jungen Erwachsenen ihren Alltag und die Verpflegung. „Lebensmittel waren in Israel deutlich teurer als hier. Die erste Ananas, die ich dort gekauft habe, kostete über zehn Euro“, sagte Paul Keil.


Seminare in Haifa
Zur Weiterbildung nahmen die Geschwister an Seminaren in Haifa teil. Dort lernten sie unter anderem israelische Volkstänze – aber auch, was sie bei einem Raketenangriff beachten müssen. Das Leben in Israel stecke eben voller Kontraste. „Wir haben beide keinen echten Raketenalarm erlebt. Aber dort, wo Maja gewohnt hat, gab es einen. Da war sie jedoch glücklicherweise schon wieder in Deutschland“, berichtete der 21-Jährige.


Zusätzlich lernten sie – wenn auch sehr dürftig – Hebräisch. Zehn Mal während des gesamten Aufenthalts hatten sie Unterricht. „Zum Glück ist Englisch vor allem in Tel Aviv weit verbreitet und es gibt auch viele Einwohner, die beim Übersetzen helfen. Mit den ,friends’ brauchten wir meist nur mit einem Wort, nicht in ganzen Sätzen, zu kommunizieren“, erzählte er. Während ihres Aufenthalts erlebten die Geschwister auch, wie die Israelis religiöse Feste feiern. An Heiligabend besuchten sie einen Gottesdienst in der Himmelfahrtskirche in Jerusalem, der sogar auf Deutsch gehalten wurde. Auch Bethlehem
statteten die Geschwister einen Besuch während der Weihnachtsfeiertage ab. Paul Keil erzählte von weiteren Unternehmungen außerhalb von Jerusalem. Zum Beispiel einem Besuch in Yad Vashem, einer internationalen Holocaust-Gedenkstätte. Auch mit den „friends“ unternahmen die Jugendlichen gemeinsam Ausflüge, zum Beispiel an das Tote Meer. Rückblickend war diese Reise für Maja und Paul Keil ein ganz besonderes Erlebnis.

 

Der Student plant, auf jeden Fall noch mal nach Israel zu fliegen. Er hat dort enge Freundschaften geschlossen und möchte auch seine ehemaligen Schützlinge im Wohnheim wiedersehen. „Die Arbeit mit ,friends’ war anfangs sehr ungewohnt, aber am Ende der Reise
haben wir sie echt ins Herz geschlossen“, sagte Paul Keil. am


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Einordnung der Proteste zur Justizreform

Schapira und Hafner sprechen zur Politik Israels, 17. Februar 2023

Weinheimer Woche, 01.03.2023

„Ich halte ihn für korrupt, niederträchtig, kriminell, ungeeignet für den Job. Aber er ist in der Lage, seinen Machterhalt zu sichern“, sagt Esther Schapira über die Widersprüchlichkeit des weit rechts positionierten israelischen Premiers Benjamin Netanjahu und seine Fähigkeit zu (ihm) dienlichen Kompromissen. Seine Ablösung wäre aus ihrer Sicht nicht nur Grund zum Jubeln, denn mit Justizminister Yariv Levin steht in zweiter Reihe ein Hardliner bereit, der Kompromissen gegenüber verschlossen ist.

Die beiden Israel-Experten Esther Schapira und Georg Hafner hatten sich vor Ort in

Tel Aviv ein Bild zur aktuellen politischen Stimmung in Israel gemacht. Foto: ben

Schapira ist gemeinsam mit Georg Hafner ins Alte Rathaus gekommen. Zum sechsten Mal sind die beiden Journalisten und Autoren einer Einladung Albrecht Lohrbächers, dem Chef des Freundeskreises Weinheim- Ramat Gan und dem Förderverein Ehemalige Synagoge Hemsbach zum Vortrag gefolgt. Im Gepäck haben sie eine Orientierung zur Zukunft Israels nach den jüngsten Parlamentswahlen. Der brisante Fokus liegt dabei auf der von Netanjahu auf den Weg gebrachten Justizreform, die es in sich hat, weil sie die Demokratie in Israel kippen könnte.

Breite Proteste

Für die Gesetzgebung sollen nach der Reform Mehrheitsentscheidungen in der Knesset ausreichen. Vetos des Höchsten Gerichts wären dann künftig vom Parlament mit einfacher Mehrheit abweisbar. Das würde die gerichtliche Überprüfung politischer Entscheidungen stark einschränken. Auch die Zusammensetzung des Gremiums soll sich ändern. Das Parlament soll die Kontrolle über die Ernennung von Richtern übernehmen. Ein Schlag gegen die israelische Demokratie, die schon bisher keine verfassungsgemäße Gewaltenteilung kennt. „Seit sieben Wochen protestiert die Öffentlichkeit in Israel dagegen“, sagt Esther Schapira. Sie verweist auf die breite Vernetzung der Proteste, in der sich auch Siedler und selbst die Wirtschaft einbringen. Die Regierung sieht sich mit ökonomischen Auswirkungen aufgrund der Drohung des Abflusses von Kapital aus dem Staat konfrontiert. Der Feind, er kommt dieses Mal von innen, wie es später in der Diskussion betitelt wird. Schapira und Georg Hafner haben gerade Gespräche vor Ort in Tel Aviv mit Fernsehkollegen geführt. Deren Einschätzungen haben enorme Bandbreite. Vom deprimierenden „Das Land ist total kaputt“, bis zum genauen Gegenteil mit der Vorstellung, dass die beängstigende Änderung am eigenen Demokratiesystem wieder zurückgenommen werden kann, wenn sie keinen Vorteil bringt.

Religion als Sorge

Der Sorge aus dem Publikum, dass die augenblicklichen Demokratieerosionen durch politisch religiöse Kräfte verschärft werden könne, versteht Schapira. Sie selbst geht aber davon aus, dass sich die Erkenntnis der „Errungenschaft einer Gesellschaft, Staat und Religion zu trennen“, auf Dauer für Israel als industriellen Hightech Standort und militärisch seit Jahrzehnten von außen bedrohtem Land durchsetzen wird. Wenngleich die Trennung gerade in Israel schwierig sei – schließlich sei er als jüdischer Staat gegründet worden. Doch Schapira macht beim Volk Israel eine Fähigkeit zu Empathie aus, die den überall so gerne ausgetragenen Diskurs zum „fruchtbaren Streit“ werden lässt. Hafner sieht den Erfolg der Religiösen etwas gelassener: „Da ist oft viel Getöse dabei.“ Für beide Journalisten steht die Hoffnung, dass Israel sich weiter als liberaler Staat behauptet. Daran ändert auch seine Widersprüchlichkeit und das anscheinend ewig unlösbare Problem „friedliches Zusammenleben mit den Arabern ohne ständig seine Existenz rechtfertigen und verteidigen zu müssen“, nichts.

„Israel. Was geht mich das an?“

Als Kontrast zur referierten politischen Realität und dem Gespräch mit den 50 Interessierten im Publikum, liest Schapira Auszüge aus ihrem Beitrag zum 2022 erschienenen Buch „Israel. Was geht mich das an?“. Ihre eigene Identität als im Frankfurt der sechziger Jahre aufgewachsenes Kind jüdischer Eltern. Ihre Eindrücke von Israel als Land mit Widersprüchen. Das gute Gefühl, Teil eines Israels mit Visionen und Selbstbehauptungs­willen zu sein. Die Konflikte, die Haltung gegen Bedrohungen von außen, die ständig Israels Existenzberechtigung infrage stellen. Die Parallele Israels zur Ukraine, wo sich die Solidarität mit einem Volk im Freiheitskampf an den Kosten der Unbeteiligten für eine Konfliktbefriedung messen lassen muss. Gastgeber Albrecht Lohrbächer bringt es am Ende für das Publikum auf die Formel: „Wir sind gezwungen zu differenzieren, wenn wir uns zukünftig solidarisch zeigen wollen.“ (ben/red)

- Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Woche -

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Auf den Spuren jüdischen Lebens und Leidens

Führung mit Stadtarchivarin Andrea Rößler stößt auf großes Interesse – Zweiter Termin ist ebenfalls schon ausgebucht

Weinheimer Nachrichten, 27.09.2022

Weinheim. Mit dieser großen Nachfrage hatte der Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan nicht gerechnet. Die Führung entlang der jüdischen Spuren in Weinheim, die der Verein mit Stadtarchivarin Andrea Rößler organisiert hatte, war rasend schnell ausgebucht. Schon in den 1980er-Jahren hatte es eine ähnliche Führung im Rahmen der „Weinheimer Spaziergänge“ gegeben, nun sollte das Thema wieder aufgegriffen werden.

Los ging es am Freitagnachmittag am Amtshausparkplatz. Dort stand das Verwaltungsgebäude des Deutschen Ordens mit einer katholischen Kapelle. Beides wurde 1809 aufgelöst und abgerissen. Die Steine der Kapelle kamen nach Lützelsachsen und wurden später an die dortige jüdische Gemeinde zum Bau einer Synagoge verkauft. An deren damaligem Standort in der Wintergasse steht heute ein Wohnhaus.

1298 erstmals urkundlich erwähnt

1298 wurde erstmals eine jüdische Gemeinde in Weinheim erwähnt. Nach den schriftlichen Überlieferungen zog der fränkische Ritter Rindfleisch damals von Franken bis in den Odenwald und brachte in Weinheim 79 Mitglieder der jüdischen Gemeinde um. Seine Funktion sei unklar gewesen, sein Ziel aber wohl, mit seinem „Kreuzzug“ die jüdischen Gemeinden zu vernichten. 4000 Menschen habe er auf seinem Weg ermordet.

Vom Amtshausplatz aus führte die Tour mit Andrea Rößler zunächst in die Judengasse. Dort stehen heute – zwischen den Häusern mit den Nummern 9 und 13 – die Reste des Judenturms. „Dieser Turm, so wird vermutet, könnte der Gasse ihren Namen gegeben haben. Denn Juden haben hier gar nicht gewohnt“, stellte die Archivarin klar. Möglicherweise hätten sich die Juden an der Finanzierung des Turmes beteiligt und so als Namensgeber fungiert. Der Turm war einer der Stadttürme und 1454 erstmalig erwähnt. Im 18. Jahrhundert wurden die obersten Geschosse des Turmes abgetragen. Heute steht nur noch der Stumpf mit einer Schießscharte, der von der Grundelbachstraße aus, in Höhe der Jet-Tankstelle, zu sehen ist.

Ein Schild am Haus Judengasse 15 soll auf die erste Synagoge 1391 hinweisen. Nach Rößlers Ausführungen sei dies allerdings aus den historischen Unterlagen nicht eindeutig nachzuweisen. „Es kann sein, dass der Stein, der mit einer Inschrift in Hebräisch gefunden wurde, aus einer Synagoge stammt, aber wir wissen nicht definitiv, wo sie gestanden hat.“

Lange Zeit war das Verhältnis zwischen jüdischen und christlichen Weinheimern nicht besonders gut. Und es dauerte bis 1862, bis Juden gleichberechtigte Bürger der Stadt waren und auch als solche anerkannt waren. Doch dann folgte eine Blütezeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                  Weinheims Stadtarchivarin Andrea Rößler (im lilafarbenen Mantel) startete den

                                                            Rundgang auf den Spuren jüdischer Geschichte am Amtshausplatz. Bild: Philipp Reimer

 

Jüdische Unternehmer

Am Sigmund-Hirsch-Platz, am Fuße des Gerberbachviertels, erläuterte Rößler die Geschichte von Sigmund Hirsch, der 1868 in Weinheim zunächst eine Gerberei pachtete und sich im Gerberbachviertel ansiedelte. Hirsch war Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung, gründete für die Mitarbeiter Wohnsiedlungen (Scheffel- und Kißlichstraße), organisierte den Bauverein als Vorläufer der heutigen Baugenossenschaft Weinheim und brachte sich, so Rößler, in vielerlei Hinsicht aktiv in das gesellschaftliche Leben der Stadt ein. Doch nicht nur jüdische Fabrikanten prägten Weinheim. In der Hauptstraße siedelten sich jüdische Eisenwaren-, Mehl- und Getreidehandlungen, Haushaltswaren-, Textil- oder Tapetengeschäfte, Metzgereien und Manufakturen an und ließen aus Weinheim eine Einkaufsstadt werden.

Es folgte der Blick von der Gerbergasse aus auf den Standort der dritten Synagoge, die 1680 oberhalb des Gerberbachviertels an der heutigen Hauptstraße 143 am Hutplatz von der Familie Oppenheimer aus eigenen finanziellen Mitteln errichtet worden war. Die vom Gerberbachviertel aus sichtbaren, angedeuteten Rundbögen um die Fenster erinnerten an sakrale Elemente, erklärte Rößler, während von der Vorderseite nichts mehr auf die Historie hindeutet. Zunächst wurde das Haus noch als Bäckerei genutzt, heute als Wohnhaus.

Die jüdische Gemeinde bereicherte auch das kulturelle Leben: Durch das Engagement von Marx Maier und die großzügige finanzielle Förderung auch durch die Familie Hirsch blühte die Stadt auf. Maier legte unter anderem als Chorleiter den Grundstein für den Kammermusikverein. Zusammen mit seiner Schwägerin, der bekannten Pianistin Pauline Rothschild, prägten sie das musikalische Geschehen in Weinheim mit überregionaler Ausstrahlung. Er holte unter anderem den Dirigenten Wilhelm Furtwängler, den Komponisten Paul Hindemith und andere namhafte Persönlichkeiten nach Weinheim. „Als es in Weinheim kein jüdisches Leben mehr gab, ist in Weinheim vieles verloren gegangen“, so Andrea Rößler.

Namen auf dem Kriegerdenkmal

Eine weitere Station der Führung war das Kriegerdenkmal in der Bahnhofstraße. 1936 errichtet im Gedenken an die Gefallenen des 1. Weltkrieges, sei es eindeutig ein „Nationalsozialistisches Denkmal“, stellte Rößler fest. Zur Errichtung des Denkmals trug die Bevölkerung durch Spenden bei – auch die Juden beteiligten sich. Allerdings wurden die Namen der jüdischen Gefallenen auf den Tafeln zunächst nicht erwähnt. Erst 1945 – am Ende des 2. Weltkrieges – wurden die Namen der fünf, bereits im 1. Weltkrieg Gefallenen mit ihrem Dienstgrad ergänzt.

Weitere Stationen der Führung waren die vierte Synagoge an der heutigen Volkshochschule in der Ehretstraße und das „Mahnmal für die Opfer von Gewalt, Krieg und Verfolgung“.

Da die erste Führung so schnell ausgebucht war, hat der Freundeskreis eine zweite Führung für 25 Personen Anfang Oktober organisiert. Sie werden vom Vorsitzenden Albrecht Lohrbächer persönlich informiert. Ist

- Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

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In Israel beginnt ein neues Jahr

 Bericht aus der Partnerstadt

 

Weinheimer Nachrichten, 26.09.2022


Weinheim/Ramat Gan. Zusammen mit der gesamten jüdischen Welt feiert auch Weinheims Partnerstadt

Ramat Gan am heutigen Montag und am morgigen Dienstag das jüdische Neujahrsfest „Rosch Ha-Schana“.

Aus dem Hebräischen übersetzt heißt das: Kopf des Jahres. Man schreibt nun das Jahr 5783.

 

Wie Albrecht Lohrbächer, der Vorsitzende des Freundeskreises Weinheim-Ramat Gan in einer Pressemitteilung

schreibt, ist es ein religiöses Fest, das aber mit seinen besonderen Symbolen auch von weniger religiös lebenden

Menschen gefeiert wird.

 

Der in großer Runde von Familie und Freunden begangene Tag wird mit einer Mahlzeit begonnen, bei der man Apfelstücke, getunkt in Honig, genießt. Sie sind Symbol des Wunsches, dass das Jahr süß werden möge. Und man wünscht sich „Schana Tova“, „ein gutes Jahr“. Das wünscht natürlich auch der Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan seinen Freunden in Israel.


Wenige Tage später, am 4./5. Oktober, folgt dann Jom Kippur, der Versöhnungstag, an dem die jüdische Welt, auch der Staat Israel, völlig stillstehen. Überschattet werden dieses Jahr die eigentlich besinnlichen Feiertage durch den schon ziemlich emotionalen Wahlkampf in Israel, bei dem es um Stimmen für die neue Knesset, das israelische Parlament geht; die Wahl ist für den 1. November angesetzt.

 

Probeabstimmung im Gymnasium
Das stets im Austausch mit Weinheim beteiligte Gymnasium Blich spielt schon seit 1977 bei allen Wahlen eine besondere Rolle. Die Schüler waren damals aufgerufen, in einer Modellabstimmung das Ergebnis der Knessetwahl abzubilden. 1977 entsprach das Endergebnis genau dem der vorherigen Probeabstimmung, sodass die Schüler seither immer wieder gefragt sind, einen solchen Probelauf durchzuführen. Dazu laden sie im Vorfeld auch hochrangige Kandidaten ein, die sich dann vor den Schülern präsentieren müssen. Die Zeitung „Jerusalem Post“ berichtete über heftige Auseinandersetzungen: Die Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei, Michaeli, und der wegen rassistischer Aussagen hoch umstrittene Vorsitzende der Partei „Jüdische Stärke“, Ben-Gvir, hätten sich vor den Schülern ein persönliches Wortgefecht geliefert. Das Ergebnis der Probeabstimmung: Die regierende Mitte-links-Koalition unter Premier Yair Lapid erhielt die Mehrheit.


Ramat Gans Oberbürgermeister Carmel Shama-Hacohen würdigte „seine“ Schüler: „Wir sind wirklich stolz, und das aus gutem Grund, auf die erstaunlichen Jugendlichen, die Reife und Aktivismus zeigten und ihre Meinung trotz des ganzen Hintergrundlärms zum Ausdruck brachten, wobei sie das gesamte Spektrum der Meinungen und politischen Strömungen im Staat Israel aufgriffen.“


- Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

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„Unsere Freundschaft überdauert”

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach zwei Jahren Pause wird der Jugendaustausch zwischen Weinheim und Ramat Gan fortgesetzt – Empfang im Rathaus

 

„Kein Krieg, keine Initifda, keine Pandemie kann unsere große Freundschaft zerstören, sie überdauert.” So beschrieb es am Freitagmittag im Weinheimer Rathaus Albrecht Lohrbächer, der Gründer und Motor der Städtepartnerschaft zwischen Weinheim und der israelischen Stadt Ramat Gan. Nach zwei Jahren coronabedingter Pause weilen im Moment wieder Jugendliche aus Ramat Gan bei Weinheimer Gastfamilien. Schon traditionell wurden die israelischen Gäste anfangs ihres Aufenthaltes auf dem Weinheimer Rathaus begrüßt. „Besuche aus unserer israelischen Partnerstadt sind stets eine große Ehre für uns”, erklärte Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just im Großen Sitzungssaal des Schlosses. Am Empfang nahmen die Organisatoren und Akteure des Empfangs aus beiden Städten teil, darunter auch Vertreter des Stadtjugendring Weinheim, der den Austausch seit seinen Anfängen in den 80er-Jahren eng begleitet, sowie der Weinheimer Gymnasien. Auch der frühere Stadtjugendring-Vorsitzende Wolfgang Metzeltin besuchte den Empfang. Er gehört mit Albrecht Lohrbächer zu den Männern der ersten Stunde. „Erfreulicherweise ist der Kontakt zwischen den Schülerinnen und Schülern auch in der Pandemie nie abgebrochen”, freute sich auch OB Manuel Just. Lohrbächer und der OB verwiesen darauf, dass einen sehr regen digitalen Austausch zwischen den Jugendlichen gegeben hat. Just betonte auch, dass die persönlichen Kontakte von Menschen verschiedener Länder und Kulturen in politisch instabilen Zeiten immer wichtiger werden. Just ging in seiner Rede vor allem auf die Geschichte der Freundschaft zwischen Ramat Gan und Weinheim ein, die 1991 in eine offizielle Städtepartnerschaft gemündet ist. 

Die Keimzelle dieser Partnerschaft war die Jugendbegegnung, die es seit über 30 Jahren gibt; daraus sind viele Freundschaften und sogar Ehen entstanden. Darauf hob Albrecht Lohrbächer in seiner Begrüßung besonders ab. Er verwies auf die engen persönlichen Beziehungen, die über die Corona-Trennung hinweggeholfen haben. Der Pfarrer und Ehrenbürger von Ramat Gan hat für die Jugendlichen – für Gäste und Gastgeber – wieder ein Programm zusammengestellt, das eine Mischung aus Spaß und Bildung abdeckt. In diesem Jahr werden die Pädagogen, die den Austausch begleiten, auch Fachgespräche zur Digitalisierung an Schulen führen – unter anderem gehört auch Mariana Ben Yosef vom Bildungsamt der Stadt Ramat Gan zur Delegation.

 

Roland Kern (Erstellt am 18. Juli 2022)

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Von der Banalität des Bösen

Hannah Arendts Großnichte Edna Brocke schilderte das Leben ihrer Vorfahrin nach der in Weinheim bald eine Straße benannt wird.

WNOZ 30. Juni 2022

 

 

 

Weinheim. Sie wird die Nachbarin von Ramat Gan. Hannah Arendt, Journalistin, Schriftstellerin, Philosophin und Politikwissenschaftlerin, Jüdin. Streitbare Denkerin und resolute Intellektuelle. Wenn im Weinheimer Baugebiet „Westlich Hauptbahnhof“ die Straßen benannt werden, wird eine davon den Namen der israelischen Partnerstadt Ramat Gan tragen; die andere wird Hannah-Arendt-Straße heißen. Es ist ein Signal des nachdenklichen
Umgangs mit der deutschen Geschichte. 

 

Quartier der Erinnerung


Am Standort der früheren „Kreispflege“ wird ein mahnendes Kunstwerk daran erinnern, dass die Nationalsozialisten an dieser Stelle eine „Euthanasie-Anstalt“ betrieben haben. Es wird ein Quartier der Erinnerungskultur. „Eine hervorragende Entscheidung des Gemeinderates“, so Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just, sei diese Namensvergabe gewesen. Wie Hannah Arendt als Denkerin und Schreiberin war, ist nachzulesen. Wie sie gelebt und gefühlt hat, das wissen jetzt zumindest die rund 80 Zuhörer eines Vortrages im Alten Rathaus: Dr. Edna Brocke, selbst Judaistin und Politikwissenschaftlerin, mehrfach für Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit Antisemitismus ausgezeichnet, Großnichte Hannah Arendts, erzählte auf Einladung des Freundeskreises Weinheim-Ramat Gan und der Stadt aus dem Leben ihrer Vorfahrin. Die Referentin ist eine gute Freundin der Familie Lohrbächer. Partnerschaftsbegründer Albrecht Lohrbächer bedankte sich in seiner Begrüßung für „den Freundesdienst, den wir in Weinheim ganz hoch schätzen“. Edna Brocke, 1943 geboren in Jerusalem, wohin ihre Eltern aus dem Nazi-Deutschland geflüchtet waren, lebt heute in Krefeld. Hannah Arendt stehe dafür, so Albrecht Lohrbächer, „dass Naivität im Umgang mit unserer Nazi-Geschichte völlig unangebracht ist – und das bleibend“. Wie aber war diese Hannah Arendt, die 1906 in Königsberg geboren wurde, in den 30er- Jahren zunächst nach Paris emigrierte, erst nach dem Krieg in die USA, wo sie 1975 starb? Mit dem Begriff der „Banalität des Bösen“ hat sie ein geflügeltes Wort geprägt, wurde damit missverstanden und kritisiert. Es war der Untertitel des Buches „Eichmann in Jerusalem“, in dem Hannah Arendt ihre Reportagen und Essays zusammenfasste, die sie über den Eichmann-Prozess schrieb. 1961 wurde Adolf Eichmann, Hitlers Organisator der „Endlösung“, in Jerusalem vor Gericht gestellt und verurteilt. Hannah Arendt berichtete darüber für den „New Yorker“. Das Buch und ihre Einschätzungen hat die Geschichtsschreibung geprägt.


Nie ohne Zigarette


Edna Brocke hat ihre Großtante damals als junge Studentin ein paar Mal begleitet. Sie kannte sie als resolute Frau (nie ohne Zigarette), die „Fröschlein“ zu ihr sagte. Über die „Banalität des Bösen“ entbrannte vor allem in Israel eine kontroverse Debatte. Man warf ihr Verharmlosung vor, weil sie den Nazi-Mörder „nicht als blutrünstigen Teufel“ (Brocke) darstellte, sondern als „erschreckend normal“, als „gewissenlosen Bürokraten“. Aber sie wollte nicht bagatellisieren, sondern darstellen, wie weit und warum der Judenhass die deutsche Gesellschaft durchdrungen hatte.

Politisches Statement

„Ihre Analyse war ein politisches Statement“, erklärte ihre Großnichte. Aber: „Die Kontroverse über ihr Buch hat ihr Leben verkürzt“, sagt sie. In Israel war sie als vielleicht klügste Analystin des nationalsozialistischen Antisemitismus zeitweise eine „Persona non grata“ und sei heute noch ein „Stein des Anstoßes“. Die Jüngeren, seufzt Edna Brocke, „wissen meistens nicht mehr, wer sie war“. „Im Vorfeld der beiden Straßen-Benennungen – herzlichen Dank dafür, dass ich Hannah Arendt aus meiner persönlichen Kenntnis und Nähe kurz beschreiben durfte“, so schrieb Edna Brocke nach ihrem Vortrag ins Goldene Buch der Stadt. Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner umrahmte die Veranstaltung mit zwei Liedern, die er selbst geschrieben hat – tief
bewegt nach einem Besuch im Konzentrationslager Gurs in Südfrankreich. Dorthin wurden die Weinheimer Juden deportiert. Das ist 80 Jahre her.
- Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

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Viele Juden fühlen sich nicht mehr sicher

Arbeitskreis Ehemalige Synagoge: Vortrag über Antisemitismus mit Albrecht Lohrbächer / „Unerträgliche Parolen“ auf Anti-Israel-Kundgebung in Mannheim

WNOZ 17. Mai 2022

 

 

 

Er gilt als Kenner der Materie: Albrecht Lohrbächer, Vorsitzender des Fördervereins Ehemalige

Synagoge Hemsbach, warnte jetzt in seinem Vortrag in der Leutershausener Synagoge vor dem wieder

auftretenden Antisemitismus. Bild: Philipp Reimer

Leutershausen. Sie wollen in den „Heiligen Krieg“ gegen Israel ziehen und ihre Feinde töten: Das skandieren junge Palästinenser auf einer Demonstration im April. Sie schwenken Fahnen und wünschen ihren Feinden den Tod. „Ähnlich war das auch heute in Mannheim“, sagt Albrecht Lohrbächer. Bevor der Vorsitzende des Fördervereins Ehemalige Synagoge Hemsbach in die Hirschberger Synagoge kam, schloss er sich nämlich einer Kundgebung an, die der Bewegung „Freiheit für Palästina“ etwas entgegensetzen wollte. Es sei friedlich zugegangen, auch wegen der 200 Polizeibeamten, aber: „Die Parolen waren unerträglich.“

Ehrenbürger in Ramat Gan

Immer wieder kommt er während der nächsten anderthalb Stunden auf dieses Erlebnis zu sprechen, das fatal zum Thema seines Vortrags passt. „Judenfeindschaft in der Mitte der Gesellschaft“ heißt es, und Gastgeber Michael Penk freut sich, dass der Abend nun mit zweijähriger, durch die Corona-Beschränkungen verursachter Verspätung doch stattfinden kann. Der Referent sei ein exzellenter Kenner des Judentums, Ehrenbürger von Weinheims Partnerstadt Ramat Gan und das Thema wichtiger denn je: „Es gibt 55 000 politisch motivierte Straftaten, das ist der höchste Wert seit 2001.“

Mit 29 Prozent sei der Anteil antisemitischer Delikte hoch. Der Verfassungsschutz warne vor einer Radikalisierung des Islam und vor gesellschaftlichem Antisemitismus, macht Lohrbächer weiter: „Es gibt einen statistischen Anstieg, aber viele Vorfälle werden gar nicht gemeldet.“ Nach den Demo-Bildern zeigt er Aufnahmen von Flugblättern, Schmierereien, Beleidigungen gegen einen Neunjährigen. Als die Hemsbacher Synagoge für die Musikschule genutzt werden sollte, protestierte eine moslemische Mutter. „Mein Kind geht nicht in eine jüdische Synagoge“, teilte sie mit und meldete ihren Sprössling ab.

In Öffentlichkeit und Medien finde oft eine Täter-Opfer-Umkehr statt, werde einseitig berichtet, aktuell im Fall der ermordeten Al-Dschasira-Reporterin Schirin Abu Akleh oder in absurd anmutenden Schlagzeilen wie „Israel droht mit Selbstverteidigung“. Lohrbächer bedauert: „Kein Staat in der Welt wird mehr gehasst, angeklagt und verleumdet als Israel.“ Das mehr Resolutionen kassiert als manche Diktatur und beschuldigt wird, den Weltfrieden zu bedrohen. Wenn Islamisten auf die Straße gehen, sieht man Schilder mit Texten wie „Zionisten vernichten“. „Heil Hitler“ oder „Juden gehören vergast“ stand 2018 auf einem Flipchart an der Mannheimer Uni - ein krasser Gegensatz zu den jährlich 10 000 Gedenkveranstaltungen an Schulen oder Gemeinden. „Was ist passiert?“, fragt der Referent. Seine Vermutung: In Deutschland wählen viele Menschen den Hass auf Israel als „Umweg“ für Antisemitismus. Die Ursachen des Übels reichen weit: von der Aussage, die Juden hätten Jesus gekreuzigt, die noch immer in evangelikalen oder konservativ-katholischen Kreisen zu hören ist, über den rassistischen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts, die muslimische Feindschaft, die ab 1937 von Hitler mit geschürt wurde, bis zu Verschwörungsmythen wie der in Russland entstandenen Legende der „Weisen von Zion“. Strömungen in türkisch-arabischen Kreisen, zum Teil von Erdogan beeinflusst, gewinnen an Einfluss, doch in der Flüchtlingsarbeit spiele das Thema Antisemitismus keine Rolle. Das alles hat Folgen: In Deutschland, Frankreich und den USA gibt es immer mehr Juden, die eine Auswanderung nach Israel planen, weil sie Angst haben, dass die Zustände unerträglich werden. Städtepartnerschaften könnten ein Ausweg sein, aber auch das Projekt „Meet a Jew“, die Recherche- und Informationsstelle gegen Antisemitismus, Projekttage, wie er sie in dieser Woche selbst veranstaltet – mit Jugendlichen, für die es auch ein Austauschprogramm gibt. Außerdem Aufmerksamkeit gegenüber Boykottaufrufen wie BDS, die sich gegen Firmen mit israelischen Niederlassungen richten. „Das sind praktisch alle“, erklärt er in der Fragerunde, wo sich viele der über 30 Besucher zu Wort melden und auch kontroverse Fragen wie die nach der Siedlungspolitik stellen. Auch wenn es um die internationale Situation geht, kommt Lohrbächer auf die Rede zurück, die der damalige israelische Präsident Reuven Rivlin 2020 im Bundestag hielt. Er sagte damals: „Wenn Juden hier nicht frei leben können, werden sie nirgendwo auf der Welt angstfrei leben.“ Stk

 

- Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

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Ramat Gan bekommt eine Weinheim-Straße

Albrecht und Ulrike Lohrbächer bringen von ihrer Israel-Reise Neuigkeiten mit.

WNOZ 22.April 2022

 

 

 

Austausch zwischen Bürgermeister Carmel Shama-Hacohen (links) und Albrecht Lohrbächer

Weinheim/Ramat Gan. Seit 1999 besteht offiziell die Partnerschaft zwischen Weinheim und Ramat Gan. Das soll sich bald auch in den Stadtplänen niederschlagen. „Der Gemeinderat von Ramat Gan hat sich vor wenigen Tagen für eine Weinheim-Straße ausgesprochen. Sie soll in einem Neubaugebiet entstehen“, berichtete Albrecht Lohrbächer im Gespräch mit der WN-Redaktion nach seiner Rückkehr aus Israel, wo er mit seiner Frau Ulrike elf Tage lang unterwegs war, um in Ramat Gan alte Kontakte zu beleben und neue Verbindungen zu knüpfen.

So kam es unter anderem erstmals zu einem persönlichen Treffen mit Bürgermeister Carmel Shama-Hacohen, der seit 2018 an der Spitze der Stadtverwaltung steht. „Der Bürgermeister zeigte großes Interesse an Weinheim und möchte so bald wie möglich nach Deutschland reisen“, berichtete Lohrbächer. Er habe sich auch sehr darüber gefreut, dass der Weinheimer Gemeinderat bereits 2021 beschlossen hat, eine Straße im neuen Wohngebiet auf dem Gelände des ehemaligen Kreispflegeheims im Sanierungsgebiet „Westlich Hauptbahnhof“ nach der israelischen Partnerstadt zu benennen. „Vielleicht klappt es ja, dass Shama-Hacohen 2024 zur Einweihung kommt“, meinte Lohrbächer. Im „Gepäck“ hatte er zudem persönliche Grüße von Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just, der gerne auch zu einem Antrittsbesuch nach Ramat Gan reisen möchte. Ein guter Anlass wäre der 100. Geburtstag der Stadt Ramat Gan, der nach Angaben von Shama-Hacohen 2023 „nachgefeiert“ werden soll. Die Stadt wurde zwar schon 1921 gegründet; aber 2021 ließ die Corona-Pandemie auch in Israel keine großen Feierlichkeiten zu.

Seit den 1980er-Jahren besucht Albrecht Lohrbächer regelmäßig Israel. Er ist Vorsitzender des Freundeskreises Weinheim – Ramat Gan, Motor und Begründer der Städtepartnerschaft sowie seit 2017 Ehrenbürger von Ramat Gan. Doch die Corona-Pandemie sorgte nicht nur bei den Lohrbächers für eine mehr als zweijährige Zwangspause, sondern auch beim Schüleraustauschprogramm, das nicht wie gewohnt durchgeführt werden konnte. Zumindest virtuell fand im Winter ein Austausch zwischen sechs Schülern aus Weinheim und zwölf Jugendlichen aus Ramat Gan statt, berichtete Lohrbächer. In Ramat Gan traf er sich mit den Schülern, die ihm begeistert von dieser Art der Begegnung erzählten. Der Wunsch, sich auch persönlich zu treffen, geht zumindest für vier deutsche und sechs israelische Jugendliche im Sommer in Erfüllung. Hinzu kommen jeweils 18 Schüler aus beiden Städten, die den regulären Austausch wieder aufnehmen werden.

Das Ehepaar Lohrbächer besuchte in Ramat Gan auch „alte Freunde“, so zum Beispiel das Mundharmonika-Orchester und den gemischten Chor von Hannah Tzur, die auch schon in Weinheim aufgetreten sind. Darüber hinaus stand ein Besuch im Altersheim Pinchas Rozen auf dem Programm, für das der Freundeskreis Weinheim – Ramat Gan im vergangenen Jahr nach den Raketenangriffen auf Tel Aviv und Ramat Gan Spenden gesammelt hatte. Mit dem Geld wurde nicht nur ein gemeinsamer Ausflug der Senioren, sondern auch die Anschaffung neuer Gartenmöbel möglich, wie die Heimleitung berichtete.

Insgesamt, so Lohrbächers Eindruck, hat sich Ramat Gan (160 000 Einwohner) von der Pandemie gut erholt. „Die Stadt wächst immer weiter, vor allem in die Höhe“, so sein Eindruck. Seit seinem Besuch 2019 seien jedenfalls weitere Wolkenkratzer entstanden. (pro)

- Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

Vordergrund: Ramat Gan-Theater; Turm im Hintergrund: Sapir tower

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Rede Herr Lohrbächer zur Mahnwache zum Ukrainekrieg

WEINHEIM, 03.03.2022

Liebe Freunde,

wir stehen hier voller Wut über den russischen Aggressor, zugleich auch voller

Ohnmachtsgefühle und sind bewegt von einer Mischung aus Bewunderung und

dem Gefühl der Solidarität für die tapferen Ukrainer samt deren Präsident

Wolodymir Zelenskij.

Der unter höchster Lebensgefahr stehende Wolodymir Zelenskij sieht sich und

sein Volk in diesen Tagen einem Vernichtungs- und Tötungswahn des

wahnsinnigen russischen Präsidenten Putin ausgesetzt. Und es ist ihm, der als

Angehöriger der zweiten Generation von Überlebenden des Holocaust das

Trauma der versuchten Vernichtung unauslöschlich in sich trägt, lebenswichtig,

den Zusammenhang zwischen dem Vorgehen der russischen Armee und den

Verbrechen in der Nazizeit zu verdeutlichen.

Wolodymir Zelenskij hat gestern früh eine jetzt im Netz kursierende Rede

gehalten, in der er auf die gezielten Angriffe gegen die bei Kiew liegende

Gedenkstätte Babij Jar und auf den jüdischen Pilgerort Uman hinweist.

Was war/ist Babij Yar bei Kiew? Am 28. September 1941 wurden die

Evakuierung der Kiewer Juden angeordnet. Diese sollten sich am folgenden

Tag in der Nähe des Bahnhofes einfinden und warme Kleidung, Geld sowie

persönliche Dokumente und Wertgegenstände mitbringen. Diesem Aufruf

folgten mehr Juden als erwartet. Sie wurden dann zur Schlucht geführt,

mussten sich dort ihrer Kleidung entledigen und wurden entsprechend dem

„Einsatzbefehl der Einsatzgruppe Nr. 101“ systematisch erschossen. Bei den

Erschießungen am 29. und 30. September 1941 wurden laut Meldung vom 2. Oktober 1941 innerhalb von 36 Stunden 33.771 Juden getötet.

Wolodymir Zelenskij hat die Gedenkstätte im Oktober letzten Jahres eingeweiht.

Der große russisch-jüdische Dichter Jewgenij Jewtuschenko widmet dem Geschehen von Babij Jar unter massivem Protest der sowjetischen Regierung 1961 ein berührendes Gedicht und Dimitri Schostakowitsch schon 1962 die Symphonie Nr. 13 b-Moll.

Was den von Zelenskij erwähntem zweiten Ort, Uman, angeht. so stellt er für eine große Zahl von orthodoxen Juden ein Pilgerort dar. Jedes Jahr kommen aus aller Welt Zehntausende von Juden nach Uman, um am Grab des großen Rabbi Nachman um Heil und Heilung zu beten.

Jüdische Spuren sollten nun erneut ausgelöscht werden - Wolodymir Zelenskij sagte in seiner Rede gestern früh:

„Der siebte Tag dieses schrecklichen Krieges hat begonnen. Ein Krieg, in dem wir alle dasselbe fühlen.

Wir alle wurden letzte Nacht in Kiew beschossen, und wir alle starben erneut in Babi Jar durch einen Raketenangriff, obwohl die Welt es immer wieder verspricht, dass es „Nie wieder“ geschehen darf und wird.

Für den normalen Menschen, der die Geschichte kennt, ist Babi Jar ein besonderer Ort in Kiew. Ein besonderer Ort in Europa. ein Ort des Gebets. Eine Gedenkstätte für Tausende und Hunderttausende von Aschkenasim, den europäischen Juden, die hier von den Nazis ermordet wurden.

Die Gedenkorte von Kiew. Warum einen solchen Ort zum Ziel eines Raketenangriffs machen? Sie töten die Opfer des Holocaust. Noch einmal.

Zu Sowjetzeiten wurde auf dem Gelände ein Fernsehzentrum sowie ein Sportzentrum errichtet. Ein Park wurde gebaut, um die besondere Geschichte auszulöschen. Um das Gedächtnis von Babi Jar auszulöschen.

Diese Aktion übersteigt das menschliche Verständnis. Ein solcher Angriff beweist, dass Kiew für viele in Russland völlig fremd ist. Sie wissen nichts über unsere Hauptstadt, über unsere Geschichte. Aber trotzdem befahlen sie die Zerstörung unserer Geschichte, sie wollen unsere Heimat zerstören, uns alle vernichten.

Am ersten Kriegstag wurde ein weiterer besonderer Ort des Judentums massiv beschossen. Uman, der Ort, an den jährlich Hunderte und Tausende von Juden kommen und beten.

Dann griffen sie Babi Jar an, wo Zehntausende Juden erschossen wurden.

Ich wende mich jetzt an alle Juden der Welt – seht ihr nicht, was hier passiert? Deshalb ist es wichtig, dass Millionen von Juden überall ihre Stimme erheben.

Die Welt darf zu diesen Gräueltaten nicht schweigen.

Schreit gegen die Tötung von Zivilisten. Schreit den Todesschrei! Schreit Ukrainer!“

soweit Wolodymir Zelenskij.

In unserer Partnerstadt Ramat Gan finden sich jetzt über den Straßen und an den Wegen Bekundungen der Solidarität, leben doch in der Stadt nicht wenige Überlebende der Schoa aus der Ukraine und solche, die als zweite Generation die Wunden der versuchten Vernichtung mit sich tragen.

Den Ukrainern, ihrem unglaublich mutigen Präsidenten Wolodymir Zelenskij, dem jüdischen Volk, das erneut alte Ängste erlebt, und unseren Freunden in Ramat Gan gilt in diesen Stunden und Tagen unser Mitgefühl. Keiner von uns weiß, wohin das alles noch führen wird, welche weiteren Massaker sich Putins Schergen noch erlauben werden – wir stehen mit all unserer Ohnmacht und zugleich einem Gefühl der Zusammengehörigkeit daneben. Und wir versprechen wenigstens: Wir werden - mit Euch - nicht vergessen!

(es gilt das gesprochene Wort! 3.3.2022 - Albrecht Lohrbächer, ramatgan@gmx.de)

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Einen Draht zueinander finden 

Gymnasiasten der Dietrich-Bonhoeffer-Schule und des Heisenberg-Gymnasiums lernen die israelische Partnerschule in Ramat Gan digital kennen

WEINHEIM, 22.02.2022

Quelle: Weinheimer Nachrichten

Weinheim/Ramat Gan. Wie sieht das Leben junger Menschen in Israel aus? Was bewegt sie, welchen Hobbys gehen sie nach, welche Themen bestimmen ihr Leben? Die Gymnasiasten der Weinheimer Dietrich-Bonhoeffer-Schule (DBS) und des Werner-Heisenberg-Gymnasiums (WHG) haben normalerweise die Möglichkeit, genau das im persönlichen Austausch mit Schülern der ORT Ebin High School in Weinheims Partnerstadt Ramat Gan kennenzulernen.

Seit 33 Jahren, also weitaus länger, als es die Partnerschaft zwischen beiden Städten gibt, pflegt man den Schüleraustausch. Nur einmal musste er aus politischen Gründen entfallen, es war schlichtweg zu gefährlich, in das nahe Tel Aviv gelegene Ramat Gan zu fahren. Dann kam die Coronapandemie und sorgte dafür, dass in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge kein Präsenzaustausch möglich ist. Dass die Verbindung zur Partner-High-School nun schon wieder unterbrochen werden sollte, damit wollte sich eine Gruppe von Lehrern beider Schulen nicht abfinden.

Längst sind zwischen den Kollegen Freundschaften durch die gegenseitigen Besuche entstanden, man hat einen Draht zueinander und suchte gemeinsam nach einer Alternative. Und die wurde dank moderner Technik auch gefunden, Zoom, Instagram, WhatsApp und Co. sei Dank. Tobias Tempel und Susanne Mußmann von der DBS stellten gemeinsam mit den Zehntklässlerinnen Jana Rauh, Hannah Link und Theresa Mayer vor, wie sich beide Seiten nun mit Hilfe moderner Technik näherkommen. Sechs Schülerinnen der zehnten Klasse der DBS und zwei der elften Jahrgangsstufe des WHG haben gemeinsam mit den Lehrern das Projekt mit gestaltet. „Digital delegation Weinheim – Ramat Gan“ ist auf dem Whiteboard zu lesen, unterlegt mit den Flaggen der beiden Staaten. So startet eine Aneinanderreihung von kurzen Videos, in denen die Schüler beider Länder verschiedene Themen vorstellen.

Jana Rauh hat in ihrem Video die Stadt Weinheim mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten präsentiert, man sieht, wie sie in englischer Sprache an verschiedenen Punkten der Stadt erklärt, was sehenswert und charakteristisch ist. Hannah Link stellt typisch deutsches Essen vor, Theresa Mayer erklärt, natürlich ebenfalls auf Englisch, die verschiedenen deutschen Feiertage und Feste. Dieselben Themen – darunter auch Musik, Militär und Holocaust – haben die israelischen Schüler aufgegriffen und aus ihrer Sicht den deutschen „Kollegen“ geschildert. Nachdem man sich so einander vorgestellt hatte, kam man zunächst durch Zoom-Meetings gruppenweise miteinander ins Gespräch über die verschiedenen Themen.

Spannendes Kennenlernen

Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede – das spannende Kennenlernen begann auf persönlicher Ebene. „Wir haben uns nicht nur zum eigentlichen Thema ausgetauscht“, verrät Hannah Link. Das Leben der Jugendlichen in Ramat Gan unterscheide sich insgesamt sehr vom hiesigen. Als ein Beispiel nennt Hannah, dass das Pfadfinderwesen in Israel eine weit größere Bedeutung habe als in Deutschland. Auch als Vorstufe zur späteren Militärausbildung. „Das ist sehr hoch angesehen dort“, so die Schülerin. Die israelischen Alterskameraden würden sich sehr oft sozial engagieren, etwa für Menschen mit Einschränkungen, während die Jugendlichen hierzulande eher sportlichen Freizeitaktivitäten nachgehen, hat Jana Rauh festgestellt.

Schnell wurden untereinander Kontakte ausgetauscht, WhatsApp- und Instagram-Gruppen gebildet. „Immer montags“, so erzählt Hannah Link, „schreiben wir, was wir am Wochenende unternommen haben, und schicken auch Fotos.“ So bekomme man einen besseren Einblick in das Leben der anderen.

Ist der Holocaust noch Thema bei den jungen Leuten? Es gibt ein entsprechendes Video, angesprochen in den persönlichen Gesprächen wurde das Thema bisher jedoch so gut wie nicht. Zunächst gehe es um den Grundaustausch, das nähere Kennenlernen. Später werde sicher auch der Holocaust Gesprächsthema werden, so die Beteiligten. Im Präsenzaustausch besuchen die Weinheimer mit den Gästen das ehemalige KZ Struthof, in Israel ist der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem fester Bestandteil.

Sind die Schülerinnen traurig, dass Corona ihnen einen Strich durch den Besuch in Israel gemacht hat? „Es wäre schön, dort zu sein“, sagt Jana Rauh. „Aber so ist es auch eine schöne Möglichkeit, in Kontakt zu kommen und dann, wenn die Situation es zulässt, zu den anderen zu fahren, die dann vielleicht sogar Freunde sind.“

„Locker und lustig“

„Super offen, mega herzlich, locker und lustig“ seien die Israelis, findet Theresa Mayer Jana Rauh und ihre Austauschpartnerin bringen sich gegenseitig Wörter und Phrasen in der jeweiligen Sprache bei. Man ist sich nähergekommen. Im März steht ein gemeinsamer Online-Spieleabend auf dem Programm. Im engen Austausch sei man stets mit dem Freundeskreis Weinheim – Ramat Gan, der trotz Pandemie ein großes Interesse daran habe, die Schüler zu unterstützen, so Tobias Tempel. Auch die Verantwortlichen der Stadt Weinheim würden sich freuen, dass die Schulen auf diesem Wege Kontakte knüpfen, so Tempel. Awa

- Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Weinheimer Nachrichten -

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„Seit Jahrzehnten ein Kampf gegen Windmühlen“ 

WEINHEIM, 18.02.2022

Quelle: Weinheimer Nachrichten

Weinheim. „Die Sache mit den Juden“ – rund 80 Teilnehmer wollten ihr beim Online-Vortrag mit

Richard C. Schneider auf den Grund gehen. Er sprach zu diesem Thema auf Einladung des Jungen

Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, des Freundeskreises Weinheim – Ramat Gan und

des Vereins Ehemalige Synagoge in Hemsbach. Nach dem Attentat von Halle kam bei Schneider

die Idee auf, über die Wiederbelebung des Antisemitismus nicht nur in Deutschland, sondern in

ganz Europa, einen Fernsehfilm zu drehen, und er berichtete in seinem Vortrag zunächst über

das Konzept.

Vier Formen des Antisemitismus wollte Schneider darin beleuchten: Judenfeindlichkeit von

rechts, von links, islamistischen Antisemitismus und solchen, der aus der Mitte der Gesellschaft

kommt. Vier Länder sollen im Mittelpunkt stehen und gleichzeitig auch der Krise der Demokratie

beziehungsweise des Liberalismus auf dem Kontinent nachgegangen werden. In Frankreich

wollte er islamistischen, in Großbritannien linken, in Ungarn rechten Antisemitismus beleuchten.

Deutschland steht für Schneider als Land, in dem sich die Judenfeindlichkeit aus der Mitte der

Gesellschaft offenbart. Das Drehbuch stand, dann kam die Pandemie. Je länger diese dauerte,

desto mehr schwand die Hoffnung darauf, den Film wie geplant drehen zu können.

Schneider veränderte sein Konzept und konzentrierte sich auf Deutschland: Es wurde eine

Reportage mit vier 20-minütigen Folgen, die an verschiedenen Orten in Deutschland entstand.

Sie wurde vom Bayerischen Rundfunk im November 2021 mit Interviews, der Auswertung von Archivmaterial und Grafiken ausgestrahlt.

Schneider versucht darin den immer lauter werdenden Hass gegen Juden in Deutschland gemeinsam mit Experten, Wissenschaftlern und Betroffenen zu erklären und die Hintergründe sowie die verschiedenen Formen des Judenhasses aufzuzeigen. „In der Reihe erzählen zum einen jüdische Experten sowie junge Juden, wie sie die aktuelle Lage wahrnehmen und den wachsenden Antisemitismus erleben“, erläutert der Autor.

Er habe versucht, historische Zusammenhänge in seinem Erzählstrang aufzuführen, um zu verstehen, welche Dimension der Antisemitismus einnimmt. Die Judenfeindlichkeit von rechts sei für Juden die schlimmste, da sie in Deutschland die gewalttätigste sei, hob Schneider hervor. In anderen Ländern sei dies der islamistische Antisemitismus. Als physisch nicht so belastend ordnete der Referent die Judenfeindlichkeit von links ein, die hoch sei und überraschenderweise verstärkt in, wie er es nannte, „gebildeten Kreisen“ vorkomme und sich in Sprache, Vorstellungen und ideologischen Ideen äußere. „Insbesondere die jüngere Generation nimmt diese Strömung wahr und stellt fest, dass sie auch unter Intellektuellen immer weniger Freunde hat“, sagte Schneider. Er bedauerte, dass auch die junge jüdische Generation heute immer noch dieselben Kämpfe ausfechten müsse, wie die Juden es seit 2000 Jahren – seitdem ihre Kultur in der Diaspora existiert – tun müssen. „Es ist seit Jahrzehnten ein Kampf gegen Windmühlen. Das Ergebnis wir nur immer schlimmer“, sagte er kritisch.

Grenzenloser Hass im Netz

Für Schneider zeigt sich der Antisemitismus aus der „Mitte der Gesellschaft“ in der Gruppe der „Querdenker“, der „Gangster-Rapper“ und in der „verbalen Grenzenlosigkeit des Hasses im Netz“. Seit 18 Jahren lebt er nicht mehr in Deutschland, empfindet aber gerade diese Erscheinungsform als „stärker, lauter und schamloser“. „Heute sagen die Menschen, was sie denken, vor 30 Jahren gab es Tabus. Diese sind heute gefallen. Das hat mich in den Interviews mit 30- bis 50-Jährigen sehr erschreckt“, sagte der Referent deutlich. Auch kritisierte Schneider den Umgang mit Sprache, den Bürger, aber auch Politiker, gerade auch im Zusammenhang mit Juden verwenden. „Sprache grenzt aus, sie transportiert Rassismus – eine Situation, die andere Gruppen fortgesetzt ausnutzen.“ Dazu lieferte er zwei Beispiele: Kaum eine Rede zum 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, komme ohne die „klassischen“ Sätze „Wehret den Anfängen“ und „Nie wieder“ aus. Dabei verkenne aber jeder Redner, dass Antisemitismus nicht am Anfang stehe, sondern wir alle „mittendrin“ seien. Zur Verdeutlichung erwähnte er, dass es in Berlin die höchste Anzahl antisemitischer Vorkommnisse in den vergangenen drei Jahren in Deutschland gegeben habe. „Jude“ sei wieder ein Schimpfwort geworden, gab er seine Erfahrung wieder. Und „Nie wieder“ habe die Gesellschaft längst verpasst, indem sie weg- und nicht hinschaut, wo judenfeindliche Vorurteile existieren.

Sprachliche Bilder, Klischees, Begriffe, die im Alltag verwendet, sowie Stereotypen, die am Leben erhalten werden, bedrohten das jüdische Leben und sorgten dafür, dass sich die Situation noch verschlimmere, so seine Einschätzung. „Irgendwo kommen immer wieder diese tradierten Gedanken auf, dass Juden anders sind“, warnte Schneider deutlich. Auch in dem sich anschließenden Chat mit Fragen der Teilnehmer mahnte Schneider den Umgang mit Sprache an. Ignoranz und Vorurteile führen aus seiner Sicht immer wieder dazu, dass „altbekannte Begriffe in neue Verpackungen geschnürt werden“. Er forderte auch staatliche Organe und Institutionen auf, das Thema Antisemitismus zu erkennen, aufzunehmen, zu handeln und eben bestimmte Dinge zu tun beziehungsweise eben gerade nicht zu tun. „Salbungsvolle Reden einerseits, aber kein Bewusstsein für die Problematik und kein Wille zur Veränderung andererseits, nerven die junge jüdische Generation“, fügte er hinzu.

Seiner Ansicht nach habe der Staat versagt, wenn es darum geht, Juden in Deutschland zu schützen. Bereits in den 50er-Jahren habe es Attentate gegeben, nicht erst in jüngster Zeit. „Und der Staat ist nicht da. Er hat die Pflicht, seine Bürger zu schützen, und alle, Juden und Nichtjuden, haben das Recht, dies einzufordern.“ ist

Die vierteilige Dokumentation „Die Sache mit den Juden“ von Richard C. Schneider ist in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks abrufbar.

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Wehret den Anfängen? Wir sind mittendrin!

Antisemitismus durchzieht die breite Gesellschaft – Reporter und Dokumentarfilmer Robert C. Schneider wirbt für neuen Sprachgebrauch

WEINHEIM, 18.02.2022

Quelle: Rhein Neckar Zeitung

Es ist so eine Sache, mit dem Antisemitismus in Deutschland: Allein, dass es ihn gibt, ist im Grunde unerträglich. Zunehmend tritt er aber stärker zutage und nimmt mitunter radikale Formen an. Wie kann das in einer vermeintlich toleranten Demokratie passieren? Wo liegen die Fallstricke, die diese Entwicklung begünstigen? Antworten darauf suchte der Journalist und Filmemacher Richard Chaim Schneider in der vierteiligen Dokumentation „Die Sache mit den Juden“, einer Produktion des Bayerischen Rundfunks. Unter gleichem Titel hält er begleitende Vorträge, wie am Dienstag. Veranstalter waren das Junge Forum Heidelberg, der Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan und der Verein Ehemalige Synagoge Hemsbach. 72 Teilnehmende schalteten sich zu der Onlinekonferenz hinzu, bei der Schneider Erkenntnisse zusammenfasste. 

Der größte Teil des Antisemitismus in Deutschland gehe vom rechten Milieu aus, erklärte er. Als Extrembeispiel führte er den Anschlag auf die Synagoge in Halle an: Im Oktober 2019 versuchte ein Rechtsextremist, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen. „Hätte die Tür nicht standgehalten, hätte es ein Massaker mit 50 bis 70 Toten gegeben“, sagte Schneider. Es wäre beispiellos der schwerste Anschlag auf eine jüdische Gemeinde seit Kriegsende gewesen. Dass es nicht zum Äußersten kam, war der Tischlerkunst zuzuschreiben; der Staat hingegen hatte versagt, in der Hinsicht, seine Bürger angemessen zu schützen – wie bereits zuvor. Die Reihe rechtsextremistischer Attentate führt bis in die 1950er-Jahre, manche Fälle seien nie aufgeklärt worden. 

Aber auch im linken Milieu, dort besonders in „intellektuellen“ Kreisen, sah Schneider Probleme. Immer öfter würden dort das Judentum und der Staat Israel miteinander verwechselt. Im Alltag erheben sich weitere Stereotype, wie sich aktuell an der „Querdenken“-Bewegung festmachen lässt. Antisemitismus finde sich auch in der Populärkultur, wie Schneider am Beispiel des Gangster-Rap aufzeigte; und dann sei da noch die „verbale Grenzenlosigkeit und der Hass im Netz“. Antisemitismus gebe es in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft, er umfasse ein „Panoptikum von ganz links bis zu Reichsbürgern“. 

Mit der Dokumentation wollte Schneider aber zugleich Experten zu Wort kommen lassen, die selbst jüdische Wurzel haben oder jüdischen Glaubens sind. Besonders solche, die der „jungen Generation“ angehören, also im Alter von 30 bis 50 Jahren. Auffallend sei, dass das intellektuelle Niveau dort besonders hoch ist. Deprimierend fand er, dass die „jüngere Generation“ dieselben Kämpfe ausficht wie die Vorgängergeneration: „Es ist ein Kampf gegen Windmühlen.“ 

Wo bleibt die Mehrheitsgesellschaft, die guten Willens ist – und diesen Willen auch artikulieren könnte?, fragte er sich. Auf „artikulieren“ lag der Akzent, denn es ist vor allem Sprachkritik an den „Textbausteinen, die wir immer wieder hören“. Wenn Politiker sagten, „diese Menschen gehören zu uns“, schrecke er auf. „Es ist ein völlig ausgrenzender Satz“, so Schneider, auch wenn eigentlich das Gegenteil beabsichtigt sei. In der Sprache, in der Rhetorik der Politik, liege der Begriff „uns“ noch zu nah an der ethnisch religiösen Mehrheitsgesellschaft. Phrasen wie „Nie wieder!“ oder „Wehret den Anfängen!“ verkennen aus seiner Sicht das Problem: „Was heißt das, wenn wir doch mittendrin sind?“ Berlin sei die Stadt mit dem meisten Antisemitismus in Europa, und auf Schulhöfen höre man wieder öfter die Beschimpfung „Du Jude!“

Nach gut einer halben Stunde kompaktem Vortrag mündete die Veranstaltung in einer Frage-Antwort-Runde. Die Teilnehmenden konnten Fragen entweder direkt stellen oder im Chat schreiben. Dabei ging es unter anderem um Wir-Uns-Gefühle, um Funktionärsebenen und die Einforderung des Rechts, sprich: vom demokratisch verfassten Staat geschützt zu werden. Aber auch die Aufarbeitung von Familiengeschichten, das Vermächtnis der Schreckenstaten des Holocaust, wurden diskutiert. Nicht zuletzt wurde Schneider nach dem „Klassiker“ gefragt: Wo liegt die Grenze zu berechtigter Israelkritik? 

Es gibt keine „Apartheid“ in Israel

Es gebe genug an der israelischen Regierung zu kritisieren, nur: „Benenne das Problem dort, wo es ist.“ Dass Menschenrechte verletzt worden sind, sei Fakt; Unterstellungen wie „Apartheid“ hingegen verschiebe das Reden über die innergesellschaftlichen Probleme Israels auf ideologisches Terrain und letztlich hin zu einer tendenziell israelfeindlichen Wahrnehmung.

Der Vortrag zeigte, dass Antisemitismus ein tiefgreifendes, komplexes Problem ist. Obwohl in knapp eineinhalb Stunden nur einige Punkte herausgegriffen wurden, konnte Schneider mit angenehmem Erzählfluss die oft komplexen Zusammenhänge skizzieren und verschiedene Perspektiven darlegen – die des objektiven Journalisten, des Intellektuellen und als Mensch mit eigenen jüdischen Wurzeln und Erfahrungen. 

Wenn Straßen verbinden -

Auch Ramat Gan plant eine Weinheim-Straße

WEINHEIM, 23.09.2021

Quelle: Pressemitteilung der Stadt Weinheim

„Ich war sehr glücklich, als ich ihren Brief erhalten habe und darin von der Ehre gelesen habe, die Sie und der Gemeinderat den Einwohnern Ramat Gan erweisen.“ So beginnt ein Brief, der jetzt im Weinheimer Rathaus auf dem Schreibtisch von Oberbürgermeister Manuel Just gelandet ist. Absender ist Carmel Shama-HaCohen, der Bürgermeister der israelischen Weinheimer Partnerstadt Ramat Gan. Shama-HaCohen antwortet mit dem Schreiben wiederum auf einen Brief, den ihm OB Just nach der September-Gemeinderatssitzung geschrieben hat. Darin teilt er dem Amtskollegen mit, dass der Gemeinderat beschlossen hat, eine Straße im Sanierungsgebiet „Westlich Hauptbahnhof“ auf dem früheren Areal der GRN-Pflege nach Ramat Gan zu benennen.

Es handelt sich um die Planstraße A im Wohngebiet, an die sich auch ein kleiner Park anschließt. Der Ort wurde wegen seiner Zentralität, der hohen Wohnqualität im neuen Baugebiet und wegen eines an der Straße liegenden Parks passend zur Partnerstadt herausgesucht: Ramat Gan ist hebräisch und heißt übersetzt „Gartenhöhe“.

Seit 1999 pflegt die Stadt Weinheim eine Partnerschaft mit Ramat Gan, einer Nachbarstadt von Tel Aviv. Dass der Straßenname auch einen Bezug zur jüdischen Geschichte und zur NS-Diktatur hat, wird auch an der Benennung der zweiten Straße im Gebiet deutlich. Diese wird nämlich nach der jüdischen Journalistin und Philosophin Hannah Arendt benannt, die in Heidelberg studiert und promoviert hat.

In Ramat Gan ist die Straßenbenennung so gut angekommen, dass dort nun ebenfalls eine Straße nach Weinheim benannt werden soll. Carmel Shama-HaCohen teilt in seinem Brief nach Weinheim mit, dass in der nächsten Sitzung des Stadtrates dies „als Zeichen der Identifikation“ vorschlagen wird. Klar ist, dass diese gegenseitige Geste ein Zeichen der Verbundenheit zwischen den beiden Partnerstädten ist. Es ist geplant, dass jeweils eine Delegation bei der Einweihung der Straße anwesend ist. Carmel Shama-HaCohen schreibt: „Wir freuen uns, nach Weinheim zu kommen.“

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Partnerstadt bekommt Straßenname in Weinheim

WEINHEIM, 27.09.2021

Quelle: Weinheim.de

Im Wohngebiet „Westlich Hauptbahnhof“, das derzeit auf dem Areal der ehemaligen „Kreispflege“ entsteht, wird die Stadt mit einer Straßenbenennung auch eine Wertschätzung für die israelische Partnerstadt Ramat Gan und die Verbundenheit ausdrücken. Der Gemeinderat stimmte für die Bennenung in Ramat-Gan-Straße gerade in einer Sitzung ab.

 

Seit 1999 pflegt die Stadt Weinheim eine Partnerschaft mit Ramat Gan, einer Nachbarstadt von Tel Aviv. Es handelt sich um die Planstraße A im Wohngebiet, an die sich auch ein kleiner Park anschließt. Noch offen ist, ob auch der Park offiziell den Namen der Partnerstadt tragen wird.

 

Dass der Straßenname auch einen Bezug zur jüdischen Geschichte und zur NS-Diktatur hat, wird auch an der Benennung der „Planstraße B“ deutlich. Hier folgte das Gremium dem Vorschlag der Stadt, die jüdische Journalistin und Philosophin Hannah Arendt mit einem eigenen Straßennamen ("Hannah-Arendt-Straße") zu ehren.

 

Hannah Arendt musste 1933 vor den Nazis aus Deutschland fliehen. In Frankreich engagierte sie sich zunächst für Emigrationsmöglichkeiten jüdischer Kinder nach Palästina. 1941 gelang es ihr, in die USA auszureisen. In New York schrieb sie regelmäßig Kolumnen für die deutsch-jüdische Emigranten-Zeitung „Aufbau“ und arbeitete seit 1944 für die „Conference on Jewish Relations“. Die politische Philosophin blieb nach 1945 in den USA und lehrte als Professorin an verschiedenen Universitäten. Bis zu ihrem Tod im Dezember 1975 widmet sie vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen aus NS-Diktatur und Exil ihr Schaffen immer wieder den Grundfragen persönlicher Verantwortung politischen Handelns im totalitären Staat.

Solidarität mit der Partnerstadt

WEINHEIM, 30.07.2021

Städtepartnerschaft: Spenden aus Weinheim finanzieren den Ausflug eines Seniorenheims in Ramat Gan

 

Es kommt wieder Bewegung in den freundschaftlichen Austausch zwischen Weinheim und der israelischen Partnerstadt Ramat Gan. Maßgeblich dazu bei trägt Albrecht Lohrbächer, Vorsitzender des Freundeskreises und Motor der Städtepartnerschaft. Als die Nachrichten von den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Israelis und der radikalislamistischen Palästinenserorganisation Hamas im März Deutschland erreichten, war es für den Freundeskreis eine Herzensangelegenheit, Solidarität zu zeigen. Schließlich war auch die Weinheimer Partnerstadt betroffen von den Raketenangriffen.Der Verein initiierte kurzerhand eine Spendenaktion in den eigenen Reihen. Mit der stattlichen Summe von 750 Euro konnte ein Seniorenheim in Ramat Gan unterstützt werden, in dem viele Juden leben, die in den 1930er-Jahren vor dem Holocaust aus Deutschland flüchteten. Finanziert wurde ein Ausflug der Einrichtung „Pinkhas Rozen“ in den nahe gelegenen Nationalpark.Viel Kraft getankt„Die Bewohner konnten dort viel Kraft tanken“, berichtet Oliver Vrankovic. Der Deutsche arbeitet als Pfleger in eben diesem Heim und machte jetzt auf einer Reise in die Heimat Station in Weinheim, um sich für die Unterstützung zu bedanken. Nach den extremen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie freute sich Lohrbächer besonders, den Gast auf dem Marktplatz begrüßen zu können.

Es war nicht sein erster Besuch. Der Kontakt geht auf die Verbindung der Stadtverwaltungen zurück. Die Freundschaft währt seit vielen Jahren. Gerade wurde er zum Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft für die Region Stuttgart gewählt, obwohl er in Ramat Gan wohnt.Schreckliche SzenenVrankovic berichtet von schrecklichen Szenen während der Zeit des Beschusses. Die Bewohner des Seniorenheimes hatten vom Erklingen der Sirenen an 90 Sekunden Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. „An das Erreichen eines Bunkers war in dieser kurzen Zeitspanne nicht zu denken“, weiß der 42-Jährige. Die fensterlosen Gänge boten zumindest Schutz vor splitternden Glasscheiben, einer der hauptsächlichen Ursachen von Verletzungen bei Raketenangriffen. Sechs solcher Extremsituationen sahen sich Senioren, Pfleger und Heimleitung ausgesetzt.„Das hat schon etwas mit den Bewohnern gemacht“, bedauert Vrankovic. Gerade vor dem Hintergrund der vielen zurückliegenden Kriege, die diese älteren Menschen miterleben mussten – von der Flucht aus Deutschland zum Arabischen Aufstand, dem Sechstagekrieg biszum israelischen Unabhängigkeitskrieg und dem Zweiten Golfkrieg. Dabei gilt die Sorge nicht unbedingt sich selbst. Vrankovic: „Die meisten sind in ständiger Sorge um ihre Angehörigen.“Mit der Hilfe aus Weinheim konnte den Senioren in Ramat Gan zwar die Sorge nicht genommen werden, „aber es hat den Bewohnern einfach gutgetan“, wie es Vrankovic ausdrückt. Besonders, weil auch die Isolation während der Pandemie den Rentnern zusetzte. Zwar sind nach Angaben des deutschen Pflegers die Senioren bereits seit Januar geimpft, es bestehe jedoch die Angst vor weiteren Erkrankungen. Im Pflegeheim „Pinkhas Rozen“ selbst hatte es zuvor zwei Tote gegeben. Corona hat auch den Austausch der Partnerschaft ausgebremst. Albrecht Lohrbächer: „Jetzt gilt es, das Netzwerk wieder neu anzuschieben.“ Wenn es möglich ist, soll der Schüleraustausch im kommenden Jahr wieder aufgenommen werden. Und im Plan bereits für diesen November steht die Reise einer Delegation aus Weinheim nach Israel – immer vorausgesetzt das Infektionsgeschehen lässt es zu. Dann könnte Oberbürgermeister Manuel Just endlich seinen Amtskollegen Carmel Shama HaCohenkennenlernen. Und auch Lohrbächer wäre natürlich dabei, übrigens der einzige Ehrenbürger Ramat Gans ohne israelische Herkunft.

 

Von Iris Kleefoot

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Bild: Fritz Kopetzky

"Neuanfang..."

WEINHEIM/RAMAT GAN, 14.03.2021

Liebe Freunde!

 

Neuanfang -ein schönes Wort – in Hebräisch würde ich „irgun me chadasch“ sagen. Und es steht dafür, dass die Kontakte zwischen Weinheim und Ramat Gan wieder auferstehen sollen. Die schwere Coronazeit hat sich gebessert und nun ist es höchste, dass die beiden Städte wieder zueinander finden sollen und können.

 

Ich freue mich darauf ganz besonders, denn ich erinnere mich so gut an vergangene Zeiten, in denen die Freundschaft zwischen unseren schönen Städten blühte und zur besseren Verständigung unserer Völker beitrug.

 

In diesem Sinne grüße ich ganz herzlich unsere Weinheimer Freunde, wünsche allen - von ganzem Herzen - ein besseres Jahr zusammen mit viel Gesundheit und Erfolg,

 

Mit einem Schalom-Gruß verbleibe ich

 

Ihr/Euer Moshe Meron

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Unterstützung für den jüdischen Friedhof

WEINHEIM/HEMSBACH, 10.12.2020

Spendenaufruf: Freundeskreis Weinheim – Ramat Gan wendet sich an Bevölkerung. Stadt Weinheim beteiligt sich mit 7500 Euro.
 

Weinheim/Hemsbach. Für Albrecht Lohrbächer ist es eine Herzensangelegenheit. Deshalb rührt der Vorsitzende des Freundeskreises Weinheim-Ramat Gan unermüdlich die „Werbetrommel“, um Spenden für den Erhalt des jüdischen Verbandsfriedhofs in Hemsbach zu sammeln. Diese Woche richtete der Freundeskreis gemeinsam mit dem Förderverein Ehemalige Synagoge Hemsbach noch einmal einen Appell an die Weinheimer Bevölkerung, sich an dieser Aufgabe mit Spenden zu beteiligen. Die Stadt Weinheim geht gewissermaßen mit gutem Beispiel voran und stellt 7500 Euro für die Sanierung zur Verfügung, wie am Mittwoch der städtische Pressesprecher Roland Kern bestätigte.

Die große jüdische Gemeinde in Weinheim und in Lützelsachsen benutzte bis ins Deportationsjahr 1940 ausschließlich diesen Friedhof als letzte Ruhestätte. Insgesamt 221 Weinheimer Juden – 120 aus Weinheim und 101 aus Lützelsachsen – wurden dort beerdigt. „Keine andere Gemeinde im Verband hat dort mehr Menschen zur letzten Ruhe gebettet“, schreibt Lohrbächer in dem Spendenaufruf.

Die Weinheimer Judaistin Christa-Renata Fischer-Hoffmann hat 1993 akribisch die hebräischen Inschriften auf den Grabsteinen entziffert. Auf diese Weise sind die Daten für Nachkommen von Weinheimer Juden, sofern sie emigrieren konnten, festgehalten.

Friedhof mehr als 300 Jahre alt

Der Friedhof ist seit mehr als 300 Jahren letzte Ruhestätte für weit über 1000 Juden aus Weinheim, Hemsbach, Dossenheim, Feudenheim, Großsachsen, Ilvesheim, Ladenburg, Lampertheim, Laudenbach, Leutershausen, Lützelsachsen, Schriesheim und Viernheim. Er wurde seit 1716 als gemeinsamer Friedhof, als Verbandsfriedhof, geführt. Erste Beerdigungen sind im Jahre 1674 nachgewiesen.

Wie bereits mehrfach berichtet, hielten jedoch viele Bäume den schweren Stürmen 2019 und Anfang 2020 nicht mehr stand, Gräber und Grabsteine wurden schwer beschädigt. Viele Bäume sind so morsch, dass sie jederzeit umstürzen können. Der Friedhof ist deshalb seit Monaten für Besucher geschlossen.

Baumfällarbeiten haben begonnen

Daher startete im November eine Sanierung des Friedhofs, die so rasch wie möglich durchgeführt werden muss. Das bedeutet: Mindestens 150 Bäume müssen gefällt werden.

„Dies ist aber nur unter höchst komplizierten Bedingungen möglich, da im größten Teil des Geländes nicht mit Maschinen gearbeitet werden kann und auf den meisten Flächen die Grabsteine sehr dicht nebeneinanderstehen“, erläutert Lohrbächer. Die Rodung müsse deshalb von Spezialisten durchgeführt werden, damit die Grabsteine nicht gefährdet werden.

Die Stadt Hemsbach ist seitens des Regierungspräsidiums mit den anfallenden Arbeiten betraut. Daher muss sie auch zunächst die veranschlagten Kosten von circa 130 000 Euro aufbringen beziehungsweise sich um die Zuschüsse und Spenden bemühen. In kleinem Umfang wird das Land Baden-Württemberg einen Anteil übernehmen. Auch die Kommunen der am Friedhof ursprünglich beteiligten Verbandsgemeinden haben Zusagen gemacht, teilte Lohrbächer mit.

Dennoch sei bislang erst die Hälfte der Kosten gedeckt, weshalb man weiterhin dringend auf Spenden angewiesen sei, heißt es abschließend im gemeinsamen Aufruf des Freundeskreises Weinheim- Ramat Gan und des Fördervereins Ehemalige Synagoge Hemsbach.

Spenden nimmt der Förderverein Ehemalige Synagoge Hemsbach entgegen: Das Spendenkonto (IBAN): DE65 6705 0505 0068 0046 59. Weitere Infos auf der Homepage (siehe unten) oder per E-Mail an:  aulohr@t-online.de.

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